Raupen: Gefährliche Spucke

Es klingt ein wenig unappetitlich, ist aber äußerst hilfreich: Viele Raupenarten würgen bei Gefahr einen Tropfen so genanntes Oralsekret aus ihrem Vorderdarm empor und bespucken damit angreifende Feinde wie beispielsweise Ameisen. Die Angreifer stellen daraufhin ihre Bemühungen ein und ziehen sich zurück.

Die bislang herrschende Lehrmeinung erklärt die abschreckende Wirkung der Spucketropfen damit, dass die Raupen mit ihrer Mahlzeit bestimmte Inhaltsstoffe aus der Futterpflanze aufnehmen, die im Oralsekret wie ein Gift wirken. Wie Würzburger Wissenschaftler herausgefunden haben, ist das allerdings nur ein Aspekt der Verteidigungsstrategie.

Gift allein kann es nicht sein

„Wir zeigen einen neuen Wirkmechanismus auf, der vor allem darauf beruht, dass es sich bei dem Oralsekret um eine Flüssigkeit handelt, die stark oberflächenaktiv ist“, erklärt Dr. Michael Rostás. Der Biologe ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Botanik II der Universität Würzburg. Er leitet dort eine Nachwuchsforschergruppe, die sich mit der chemischen Ökologie von Insekten-Pflanzen-Interaktionen befasst. Rostás hatte schon länger die Vermutung, dass es nicht ausreicht, die erfolgreiche Abwehr der Raupen mit Giftstoffen zu erklären, die sie durch die Nahrung aufnehmen. „Vor allem bei Insektenarten, die sich von verschiedenen Pflanzen ernähren, wäre die Gefahr viel zu groß, dass eine dieser Pflanzen zu wenig oder gar keine der benötigten Inhaltsstoffe produziert“, sagt er. Und dann stünde die Raupe plötzlich ohne ihren Giftcocktail da.

Benetzte Ameisen müssen sich putzen

Tatsächlich ist es Rostás gelungen, eine „zweite Linie der Verteidigung“ zu identifizieren: das Vorhandensein von oberflächenaktiven Substanzen, so genannten Surfactants, in der Raupenspucke. „Viele Insekten wie beispielsweise Ameisen haben eine stark wasserabweisende Außenhaut. Diese zu benetzen ist demnach fast unmöglich. Die Spucke würde im Normalfall einfach abperlen“, sagt Rostás. Surfactants sind jedoch in der Lage, die Oberflächenspannung des Wassers soweit zu verringern, dass sich die Spucke über die Ameisenoberfläche verteilen kann. Mit durchschlagendem Erfolg: „Benetzte Ameisen unterbrechen sofort ihren Angriff und fangen an sich minutenlang zu putzen“, so Rostás. Der Forscher vermutet, dass die Raupenspucke die empfindlichen Sinneshärchen der Ameisen beeinträchtigt, was für das betroffene Tier ziemlich unangenehm sein muss. In der Zwischenzeit können die Raupen problemlos fliehen.

Die gleiche Technik wie bei Insektiziden

Kurioserweise haben die Raupen damit schon vor langer Zeit eine Verteidigungstechnik entwickelt, die noch nicht allzu lange in der Landwirtschaft zum Einsatz kommt: Moderne Insektizide arbeiten auf ähnliche Weise; auch sie nutzen oberflächenaktive Substanzen, um Schädlinge von der Ernte fern zu halten. Selbst wer im heimischen Garten Blattläuse mit einer Seifenlösung besprüht, wendet diesen Trick an. Seife ist ein hervorragendes Mittel, um die Oberflächenspannung der Wassertropfen zu senken.

Ihre Ergebnisse haben Michael Rostás und seine Mitarbeiterin in der Zeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht: Insects had it first: surfactants as a defence against predators. Michael Rostás and Katrin Blassmann. doi:10.1098/rspb.2008.1281

Kontakt: Dr. Michael Rostás, T: (0931) 888-6223, E-Mail: michael.rostas@botanik.uni-wuerzburg.de

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Gunnar Bartsch idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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