Rapsgenom entschlüsselt

Rapsblüten Foto: Rod Snowdon

Der Raps, Europas wichtigste Ölpflanze, hat ein Geheimnis weniger: Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, darunter aus Deutschland Dr. Birgit Samans und Prof. Dr. Rod Snowdon von der Professur für Pflanzenzüchtung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), hat das komplexe Genom des Rapses (Brassica napus) entschlüsselt.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewannen dabei wichtige neue Erkenntnisse über die Entstehung von Kulturpflanzen nach Artkreuzungen. Die Ergebnisse wurden nun in der renommierten Zeitschrift „Science“ veröffentlicht.

Der Raps ist eine der jüngsten Pflanzenarten und zeichnet sich unter den Kulturpflanzen durch seine einzigartige Entstehungsgeschichte aus. Erst vor wenigen tausend Jahren entstanden die ersten Rapspflanzen aus einer zufälligen Artkreuzung zwischen Kohl- und Ölrübsenformen. Samen aus Artkreuzungen werden nur sehr selten fruchtbar, und zwar erst nach zufälliger, vollständiger Verdopplung beider Chromosomensätze der Elternteile.

Da alle heutigen Blühpflanzen auf ähnliche Weise entstanden sind, in den allermeisten Fällen vor Millionen von Jahren, gibt die Genomsequenz von Raps einen einzigartigen Einblick in die evolutionären Prozesse der Artentstehung. Treffen zwei verwandte, aber unterschiedliche Genome in einem Zellkern zum ersten Mal aufeinander, findet allmählich der Verlust von überflüssigen doppelten Genkopien statt – eine neue Art entsteht. Wie dieser Evolutionsprozess beginnt, ist bislang noch unklar.

Ungewöhnlicherweise behielt der Raps bislang fast alle Genkopien seiner beiden Elternspezies und bringt es so auf rund 101.000 Gene. Damit besitzt er mehr Gene als alle Organismen, deren Genome bereits sequenziert wurden – der Mensch beispielsweise hat weniger als 30.000 Gene. Da beim Raps viele Genfunktionen aufgrund der Genomdopplung mehrmals vorhanden und somit überflüssig sind, besteht hier ein großes Potential zur Änderung und Anpassung durch vorteilhafte Mutationen.

So lösen zum Beispiel ungenaue Chromosomenpaarungen, die beim Raps durch die Genomdopplung häufig vorkommen, Mutationen aus – und beschleunigen so die Evolution. Viele für die heutige Nutzung des Rapses wichtige Eigenschaften wurden unmittelbar nach der Artentstehung durch den Austausch von Chromosomenstücken gebildet.

So konnte sich eine Pflanze, die mit extrem geringer genetischer Vielfalt entstanden ist, in kürzester Zeit an diverse geographische und agrarökologische Extreme anpassen und sich dort behaupten. Heute ist der Anbau unterschiedlicher Rapsformen als Öl-, Futter- und Gemüsekulturen über ganz Europa sowie in Nordamerika, Asien und Australien weit verbreitet.

Aus Raps wird eines der wichtigsten Pflanzenöle für die menschliche Ernährung sowie für die Erzeugung von Biodiesel gewonnen. Der nach der Ölgewinnung zurückbleibende Pressrückstand liefert zudem ein wertvolles, proteinreiches Tierfutter, das hierzulande als wichtigste heimische Alternative zu importiertem Sojaschrot gilt. Die Kenntnisse aus der Genomsequenzierung haben vor allem für die Züchtung neuer Ölrapssorten mit besserer Umweltverträglichkeit und erhöhtem Ertrag eine große Bedeutung.

Die Sequenzierung des Rapsgenoms wurde durch Dr. Boulos Chalhoub vom französischen nationalen Agrarforschungsinstitut INRA koordiniert. Auf deutscher Seite wurden die Arbeiten zusammen mit kommerziellen Rapszüchtern im Rahmen des Forschungskonsortiums „PreBreedYield“ durchgeführt, ein Vorhaben der Förderaktivität „Pflanzenbiotechnologie der Zukunft“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Veröffentlichung
Chalhoub et al. (2014): Early allopolyploid evolution in the post-neolithic Brassica napus oilseed genome. Science, Ausgabe vom 22. August 2014.
DOI: 10.1126/science.1253435

Kontakt
Prof. Dr. Rod Snowdon
Professur für Pflanzenzüchtung
Interdisziplinäres Forschungszentrum für Biosystems und Umweltsicherung (IFZ)
Heinrich-Buff-Ring 26-32, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-37420

Die 1607 gegründete Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) ist eine traditionsreiche Forschungsuniversität, die mehr als 26.500 Studierende anzieht. Neben einem breiten Lehrangebot – von den klassischen Naturwissenschaften über Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Gesellschafts- und Erziehungswissenschaften bis hin zu Sprach- und Kulturwissen¬schaften – bietet sie ein lebenswissenschaftliches Fächerspektrum, das nicht nur in Hessen einmalig ist: Human- und Veterinärmedizin, Agrar-, Umwelt- und Ernährungswissenschaften sowie Lebensmittelchemie. Unter den großen Persönlichkeiten, die an der JLU geforscht und gelehrt haben, befindet sich eine Reihe von Nobelpreisträgern, unter anderem Wilhelm Conrad Röntgen (Nobelpreis für Physik 1901) und Wangari Maathai (Friedensnobelpreis 2004). Seit 2006 wird die JLU sowohl in der ersten als auch in der zweiten Förderlinie der Exzellenzinitiative gefördert (Excellence Cluster Cardio-Pulmonary System – ECCPS; International Graduate Centre for the Study of Culture – GCSC).

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Charlotte Brückner-Ihl idw - Informationsdienst Wissenschaft

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