Quantitative Proteomik: Wieviele Eiweißstoffe bilden ein Team?

Eiweißstoffe (Proteine) sind die „Arbeitstiere“ unter den Bio-Molekülen. Ob als Transportverhikel, Baumaterial, chemischer Katalysator, Informationsvermittler, Müllschlucker – es gibt kaum eine Aufgabe in der Zelle, an der sie nicht beteiligt wären. Dabei agieren sie fast immer in Teams aus vielen Partnern: in großen Proteinkomplexen.

Je nachdem welche Arbeit gerade zu verrichten ist, kommen neue Partner hinzu und andere verlassen das Team. Identität, Konzentration und das Mengenverhältnis der interagierenden Partner eines Proteinkomplexes genau zu bestimmen, ist äußerst wichtig, um Zellfunktionen zu verstehen und um Krankheitsprozesse aufzuspüren. Auf diesem Gebiet ist nun im Rahmen der Österreichischen Proteomik Plattform APP, die von der CEMIT Center of Excellence in Innsbruck gemanagt wird, ein wichtiger Fortschritt gelungen: Die Wissenschaftler Karl Mechtler und Johann Holzmann am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien haben ein neues Verfahren der „Quantitativen Proteomik“ entwickelt, mit dessen Hilfe sich die absolute Konzentration und das Mengenverhältnis von Proteinkomplexen genau analysieren lässt (1).

Die Proteomik bedient sich der Massenspektrometrie, um Proteine anhand charakteristischer Zerfallsmuster zu identifizieren. Dabei werden Protein-Bruchstücke im Massenspektrometer nach ihrem Verhältnis von Masse zu Ladung aufgetrennt und eindeutig identifiziert. Per se ist die Massenspektrometrie daher eher ein qualitatives Analysewerkzeug. Zur absoluten Mengenbestimmung ist sie dann sehr gut geeignet, wenn Vergleichs-Proben mitgemessen werden, deren Menge und Zusammensetzung genau bekannt sind. Solche Mischungen aus markierten (und dadurch von der Messprobe eindeutig zu unterscheidenden) Standard-Peptiden in exakt gewünschter Zusammensetzung herzustellen, war bisher ein teures und zeitintensives Unterfangen.

Die am IMP tätigen Wissenschafter haben nun ein neuartiges Verfahren entwickelt, welches für die Herstellung der notwendigen Standards eine große Vereinfachung und Kostenersparnis darstellt und zusätzlich die Genauigkeit der Messung erhöht. Somit kann die quantitative Analyse ganzer Proteinkomplexe wesentlich effizienter durchgeführt werden. Dieses Verfahren haben sie in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern vom CD-Labor für Proteom-Analyse und dem Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) an einem wichtigen und bekannten Proteinkomplex namens MP1-p14 erfolgreich getestet.

MP1-p14 ist ein lebenswichtiges „Duo“ aus den beiden Proteinen MP1 und p14. Mausembryos, denen dieser Proteinkomplex fehlt, sterben bereits früh in der Embryonalentwicklung. Die Aufgabe des Duos ist es, zelluläre Signale, die Zelltod oder Zellwachstum auslösen, zu modulieren. Diese Signale werden von „Informations- oder Signal-Proteinen“ übertragen, den Kinasen. Da es nur eine begrenzte Anzahl von Kinasen gibt, entscheidet ihr räumliches und zeitliches Zusammentreffen über die Art der Information – ganz ähnlich wie aus einer beschränkten Anzahl von Buchstaben unbegrenzte Sinnzusammenhänge vermittelbar sind.

Gerüst- und Adapterproteine stellen Kinasen am richten Ort in der Zelle zu den jeweils erforderlichen Teams zusammen. MP1-p14 übernimmt diese Aufgabe für die MAP-Kinase-Signalkette, die auch an der Entstehung vieler Tumore beteiligt ist. Daher haben Mechtler und sein Team diesen wichtigen Proteinkomplex zum Test ihres neuen quantitativen Proteomik-Verfahrens ausgesucht.

Die Proteomik ist eine noch junge Wissenschaft, die sich mit der systematischen Erforschung der Eiweißstoffe in biologischen Systemen beschäftigt. Besonderes Augenmerk liegt dabei in jüngster Zeit auf der quantitativen Analyse, der Mengenbestimmung durch Massenspektrometrie. Sie gibt messbare Größen an die Hand, um Veränderungen zu dokumentieren und Schwellenwerte zu bestimmen. Diese werden dringend benötigt, um als Biomarker krankhafte Veränderungen nachzuweisen.

Gerüstprotein-Komplexe wie MP1-p14 stellen wegen ihres Einflusses auf die MAP-Kinase-Signalkette potenzielle Ziele für die Entwicklung neuer Krebsmedikamente dar. Im Rahmen des Krebsforschungszentrums Oncotyrol in Innsbruck und im EU-Forschungsprojekt Growthstop wird gemeinsam mit Firmenpartnern unter anderem nach Inhibitoren für Gerüstproteine gesucht.

(1) „Stoichiometry Determination of the MP1-p14 Complex using a Novel and Cost-Efficient Method to Produce an Equimolar Micture of Standard Peptides“ ,Holzmann et al. Anal. Chem 2009, 81, 10254 -10261

Hintergrund APP
Die österreichische Proteomik Plattform APP ist ein Forschungsnetzwerk, das im Rahmen des österreichischen Genomforschungsprogramms GEN-AU von der Bundesregierung gefördert wird. APP wurde im Jahr 2003 gestartet. Sie wird von Prof. Dr. Lukas Huber, Medizinische Universität Innsbruck, geleitet und von CEMIT Center of Excellence in Medicine and IT in Innsbruck gemanagt.
www.bmwf.gv.at/
www.gen-au.at/projekt.jsp?projektId=111&lang=de
Hintergrund GEN-AU
Das Genomforschungsprogramm GEN-AU (GENome Research in AUstria) wurde 2001 gestartet und ist das höchst dotierte Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung. Das Programmmanagement führt die FFG durch.
www.gen-au.at
www.ffg.at
Hintergrund CEMIT
CEMIT initiiert und managt Großforschungsprojekte an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, z.B. Kompetenzzentren wie das Zentrum für Personalisierte Krebsmedizin ONCOTYROL, EU-Projekte oder -Programme. Neben APP managt CEMIT auch ein weiteres GEN-AU Projekt zu nichtkodierenden RNAs.

www.cemit.at

Hintergrund Proteomik/Genomik
Das Proteom ist die Gesamtheit aller Proteine, die in einem biologischen System zu einem bestimmten Zeitpunkt anzutreffen sind. In einer einzigen Zelle können mehr als 100 000 verschiedene Proteine in höchst unterschiedlichen Mengen vorhanden sein. Die Erforschung des Proteoms – die Proteomik – gehört daher zu den größten wissenschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Dabei gelingt immer nur eine momentane Bestandaufnahme, denn das Proteom verändert sich fortwährend – im Gegensatz zum Genom. Das Genom, also die in der DNA festgelegte Erbinformation eines Organismus', bleibt zeitlebens gleich, selbst wenn sich dieser von der Raupe zum Schmetterling wandelt. Das Proteom hingegen gibt jeweils den aktuellen Zustand eines biologischen Systems wieder, und das macht es so interessant.
Rückfragen:
CEMIT – Center of Excellence in Medicine and IT GmbH
Carola Hanisch, Kommunikation,
Karl-Kapfererstr.5,,
6020 Innsbruck,
Tel. +43.512.576523-221,
Fax. +43.512.576523-301
Email: carola.hanisch@cemit.at
www.cemit.at
IMP
Dr. Heidemarie Hurtl
Kommunikation IMP – Research Institute of Molecular Pathology
Dr. Bohr Gasse 7
1030 Wien
Tel. +43. 1. 79730-3625
Fax. +43. 1. 7987153
Email: hurtl@imp.ac.at

Media Contact

Dr. Heidemarie Hurtl idw

Weitere Informationen:

http://www.imp.ac.at

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Zebrafinken-Küken brabbeln nicht ohne Grund

Wenn Babys sprechen oder Vögeln singen lernen, greift das gleiche Prinzip: Zuhören und dann nachahmen. So wird aus anfänglichem Gebrabbel das erste Wort oder Lied. Zebrafinken-Küken merken sich zunächst den…

Ideen für die Zukunft

TU Berlin präsentiert sich vom 22. bis 26. April 2024 mit neun Projekten auf der Hannover Messe 2024. Die HANNOVER MESSE gilt als die Weltleitmesse der Industrie. Ihr diesjähriger Schwerpunkt…

Peptide auf interstellarem Eis

Dass einfache Peptide auf kosmischen Staubkörnern entstehen können, wurde vom Forschungsteam um Dr. Serge Krasnokutski vom Astrophysikalischen Labor des Max-Planck-Instituts für Astronomie an der Universität Jena bereits gezeigt. Bisher ging…

Partner & Förderer