Ein Protein sorgt für Entspannung: Astrin verhindert, dass Zellen unter Stress überreagieren und stoppt ihren vorzeitigen Tod

Astrin und Stressgranula balancieren die mTORC1-Aktivität unter Stress aus. Bei zu hoher oder zu niedriger mTORC1-Aktivierung stirbt die Zelle.<br>Artwork by Christoph Luchs, Cogneus.com<br>

Freiburger Forschende zeigen, wie Zellen sich gegen Stress wehren und dabei nicht vorzeitig sterben. Dr. Kathrin Thedieck und Birgit Holzwarth vom Institut für Biologie III und dem Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies der Universität Freiburg haben entdeckt, dass Astrin, eine wenig erforschte Komponente vieler Zellen, dabei eine wichtige Rolle spielt.

In der renommierten Fachzeitschrift „Cell“ stellen sie die Stressfunktion dieses bisher vor allem aus der Zellteilung bekannten Proteins vor. Für die Entwicklung von Krebsmedikamenten könnte Astrin eine wichtige Rolle spielen: weil Tumorzellen zu viel Astrin produzieren, entkommen sie dem Zelltod.

Freie Radikale entstehen, ähnlich wie Verbrennungsabgase, außerhalb der Zelle aber auch im aktiven Zellstoffwechsel und lösen in den Körperzellen Stress aus. Es wird vermutet, dass solche Stresseinflüsse im Alter Krebs, neurodegenerative Krankheiten oder auch Stoffwechselerkrankungen begünstigen.

„Schon seit längerem verdächtigen wir einen Proteinkomplex, mTORC1 (mammalian target of rapamycin complex 1), eine zentrale Rolle für die Balance zwischen Wachstum und Abbau zu spielen“, sagt Dr. Thedieck, Nachwuchswissenschaftlerin aus Freiburg. Nährstoffe aktivieren mTORC1, die Zelle wächst. Bei leichtem Stress hilft mTORC1 der Zelle zudem, mit Stressfaktoren umzugehen. Doch wenn die mTORC1 Aktivität entgleist, leitet die Zelle den programmierten Zelltod ein. „Steigt der Stress, beobachteten wir so genannte Stressgranula in der Zelle, die mit mTORC1 in Verbindung treten. Sie verhindern normalerweise, dass vorübergehender Stress sofort zum Zelltod führt. Nur der Mechanismus dafür war bislang völlig unbekannt“ sagt Thedieck.

Thedieck und Holzwarth im Labor von Prof. Dr. Ralf Baumeister an der biologischen Fakultät zeigen nun, dass Astrin genau diesen Mechanismus vermittelt. Bei Stress rekrutiert Astrin mTORC1-Bestandteile an die Stressgranula und drosselt so die mTORC1-Aktivität. „Manipulierten wir aber die Zellen so, dass kein Astrin mehr produziert wurde, dann starben diese schon bei geringem Stress ab“, berichtet Thedieck.

Ihre zum Patent angemeldete Entdeckung könnte in der Tumortherapie Anwendung finden. „Da Astrin in vielen Tumoren vermehrt produziert wird, blockiert es den Übergang zum Zelltod, den man durch Chemotherapie eigentlich auslösen will. Die Folge ist, dass Tumorzellen überleben. Nimmt man ihnen den Astrin Schutz, kann man Tumoren in Zukunft möglicherweise einfacher bekämpfen“ erklärt Thedieck, die im September als Professorin an das University Medical Center (UMCG) der Universität Groningen/Niederlande geht.

Originalpublikation:
Thedieck K, Holzwarth B, Prentzell MT, Boehlke C, Kläsener K, Ruf S,Sonntag AG, Maerz L, Grellscheid S, Kremmer E, Nitschke R, Kuehn EW, Jonker JW, Groen AK, Reth M, Hall MN, Baumeister R. (2013) Inhibition of mTORC1 by Astrin and stress granules prevents apoptosis in cancer cells. Cell, Volume 154, Issue 4, 859-874, doi 10.1016/j.cell.2013.07.031
Kontakt:
Dr. Kathrin Thedieck
Institut für Biologie III
BIOSS Centre for Biological Signalling Studies
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Telefon: 0761-203 8350 (Assistenz: Angelika Reichinger)
E-Mail: kathrin.thedieck@biologie.uni-freiburg.de, k.thedieck@umcg.nl

Media Contact

Rudolf-Werner Dreier Uni Freiburg im Breisgau

Weitere Informationen:

http://www.uni-freiburg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer