Protein öffnet Kernporen

Die Kernporen (rot) sind die Eingangspforten zum Zellkern, der die genetische Information (blau) enthält. Das Protein p75NTR (grün) macht diese Kernporen für bestimmte Moleküle durchlässig. Foto: Akassoglou lab, Gladstone Institutes

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Christian Schachtrup und Dr. Katerina Akassoglou konnten zeigen, dass in spezifischen Zellen des Nervensystems, den Astrozyten, der Transport von Molekülen durch die Kernporen in den Zellkern eine wichtige Rolle in der Entwicklung und Funktion des Gehirns spielt.

Mit dem Ergebnis der Studie können die Wissenschaftler besser verstehen, wie Astrozyten auf Verletzungen des Gehirns reagieren und Neurone – die Nervenzellen des Gehirns – beeinflussen. Dies könnte die Grundlage für zukünftige Behandlungsmöglichkeiten von neuronalen Störungen bilden.

Schachtrup ist Gruppenleiter in der Abteilung für Molekulare Embryologie am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Freiburg. Akassoglou forscht am Gladstone Institute San Francisco/USA und ist Professorin an der University of California in San Francisco/USA. Das Team hat die Forschungsergebnisse in der Fachzeitschrift „Nature Neuroscience“ veröffentlicht.

Die Forscherinnen und Forscher entdeckten eine Schlüsselfunktion des Proteins p75 Neutrophin Rezeptor (p75NTR) in der Aktivität von Astrozyten – Zellen aus der Gruppe der Gliazellen, die im zentralen Nervensystem des Gehirns und des Rückenmarks vorkommen.

Jede Zelle besitzt einen Kern, den Nukleus, der die genetische Information enthält und damit als Schaltzentrale für die Zelle dient. Um den Zugang zu der genetischen Information zu steuern, ist der Zellkern von einer Hülle umgeben. Die Kernporen dienen als Ein- und Austrittspforten.

Die Forscher fanden nun heraus, dass sich ein kleines Fragment des p75NTR Proteins an bestimmte Proteine, die Nukleoporine, bindet und die Kernporen für spezielle Signalproteine durchlässig macht. Dadurch können Astrozyten auf den Wachstumsfaktor TGF-beta reagieren und damit ihre Funktionen verändern sowie Proteine absondern, die einen schädlichen Einfluss auf die Regeneration und Aktivität der Neuronen haben. „Kernporen sind Pforten. p75NTR öffnet diese und erlaubt den Transport von bestimmten Molekülen in den Nukleus“, erklärt Schachtrup. Durch die geöffneten Kernporen kann das Protein Smad2 in den Nukleus gelangen, wodurch TGF-beta seinen schädigenden Effekt in Astrozyten ausführt.

In Versuchen, in denen die Wissenschaftler p75NTR in Astrozyten eliminierten, blockierten sie den Transport von Smad2 in den Nukleus. In der Folge konnte TGF-beta seine schädigende Wirkung nicht entfalten. Dies verhinderte den so genannten Hydrozephalus, eine Entwicklungsstörung, bei der sich übermäßig viel Flüssigkeit im Gehirn ansammelt, und modulierte Gamma Oszillationen – neuronale Aktivitätsmuster, die im Zusammenhang mit Lern- und Erinnerungsvermögen stehen und sich bei neurologischen Krankheiten verändern. „Über die Rolle der Kernporenkomplexe in Zellen des Gehirns ist bisher wenig bekannt“, sagt Schachtrup. „Vielleicht ermöglicht uns diese Studie den nuklearen Transport selektiv zu unterbinden, um Gehirnverletzungen oder -krankheiten zu behandeln.“

Die Wissenschaftler verwendeten hochauflösende Mikroskopie sowie Elektronen- und Lebendzell-Mikroskopie, um Veränderungen an der nuklearen Pore der Astrozyten in Echtzeit zu beobachten. Der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Europäische Kommission und die National Institutes of Health des US-amerikanischen Ministeriums für Gesundheitspflege und Soziale Dienste haben die Studie gefördert.

Originalpublikation:
Schachtrup et al. „Nuclear pore complex remodeling by p75NTR cleavage controls TGF-β signaling and astrocyte functions,” Nature Neuroscience, June 29, 2015. DOI: 10.1038/nn.4054
http://www.nature.com/neuro/journal/v18/n8/full/nn.4054.html

Kontakt:
Dr. Christian Schachtrup
Institut für Anatomie und Zellbiologie
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-5101
E-Mail: christian.schachtrup@anat.uni-freiburg.de

Weitere Informationen:

https://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2015/pm.2015-08-11.117

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