Dem programmierten Selbstmord auf der Spur

Wissenschaftler um Professor Dr. Martin Leverkus, Leiter der Sektion Molekulare Dermatologie an der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie der Universitätsmedizin Mannheim (UMM), haben in Hauttumorzellen einen Proteinkomplex entdeckt, der eine zentrale Rolle bei der Entscheidung spielt, ob eine Zelle am programmierten Zelltod (Apoptose) oder der programmierten Nekrose (Nekroptose) zugrunde geht.

Die Kenntnis der Regulationsmechanismen, die darüber entscheiden, in welcher Weise Zellen abgebaut werden, ist von hohem klinischem Interesse. Denn der nekrotische Zelltod wirkt offenbar immunstimulierend und bietet damit möglicherweise neue Ansätze für die Therapie von Tumorerkrankungen.

Zum Hintergrund: Die meisten Gewebe des Organismus erneuern sich stetig. Kontinuierlich werden neue Zellen gebildet, während gleichzeitig andere Zellen zugrunde gehen. Das Absterben von Zellen geschieht im gesunden Organismus streng kontrolliert. Zellen kennen aber verschiedene Wege, programmiert zu sterben. Beim sogenannten programmierten Zelltod, der Apoptose, durchlaufen einzelne Zellen ein Selbstmordprogramm, ohne dass angrenzende Gewebe von diesem physiologischen Prozess betroffen sind.

Seit einiger Zeit wird einer weiteren Form des Zelltodes, der programmierten Nekrose (Nekroptose), vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Die Nekroptose wird durch schädigende Einflüsse ausgelöst und führt über bislang weitgehend unbekannte Mechanismen zu Entzündungsreaktionen. Diese entzündlichen Reaktionen schädigen nicht nur die eigentlich betroffene Zelle, sie führen auch zum Untergang unbeteiligter Zellen in Gewebeverbänden, möglicherweise indem toxische oder entzündliche Signale freigesetzt werden. Die Nekroptose könnte daher bei der Bekämpfung eines Tumors durch das Immunsystem förderlich sein, wenn nämlich solch ein Prozess in einem Tumorgewebe ausgelöst werden könnte.

Die Mannheimer Wissenschaftler konnten den Proteinkomplex, über den entschieden wird, ob Zellen durch Apoptose oder Nekroptose zugrunde gehen, mit biochemischen und molekularbiologischen Methoden genauer charakterisieren. Die Gruppe um Professor Leverkus identifizierte die Kinase RIP1 als zentralen Bestandteil dieser intrazellulären Signalplattform und bezeichnete diese deshalb als „Ripoptosom“. Des Weiteren stellten sie fest, dass die Mengenverhältnisse verschiedener Komponenten in dem Komplex darüber entscheiden, ob und auf welchen Wegen die Zellen absterben – durch Apoptose oder Nekroptose.

Weiterhin sind an der Regulation der Signalplattform die seit mehreren Jahren bekannten „inhibitors of apoptosis proteins“ (IAP Proteine) beteiligt, und zwar unmittelbar über die Kinase RIP1. Darüber hinaus identifizierten die Wissenschaftler verschiedene Isoformen des Proteins cFLIP (cFLIPL und cFLIPS) als wichtige Komponenten des Komplexes, die interessanterweise entweder Apoptose hemmen (cFLIPL) oder Nekroptose erleichtern (cFLIPS). Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Zelltod-fördernde Funktion von RIP1 nicht mehr durch IAPs gehemmt wird.

Aufbauend auf den neuen Erkenntnissen werden die Wissenschaftler den Komplex weiter erforschen und daraus neue Strategien für die Behandlung von Tumorerkrankungen entwickeln. Die Ergebnisse sind im Journal Molecular Cell publiziert und ab heute online verfügbar.

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Dr. Eva Maria Wellnitz idw

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