Pflanzenkrebs: Bakterien als trickreiche Manipulatoren

Winzer, Obstbauern und Hobbygärtner kennen das Phänomen: Ihre Weinstöcke oder Obstbäume entwickeln knapp oberhalb des Bodens tumorartige Gebilde und tragen anschließend deutlich weniger Früchte als zuvor. Von Wurzelhalsgallen spricht der Fachmann in diesem Fall; im Weinbau heißt die Krankheit Mauke. Mit den Wucherungen beschäftigt sich Rosalia Deeken schon seit etlichen Jahren. Mit ihrer Arbeitsgruppe hat sie im Julius-von-Sachs-Institut für Biowissenschaften der Universität Würzburg deren Ursachen erforscht – und dabei Erstaunliches entdeckt.

„Bei Wurzelhalsgallen handelt es sich um eine besondere Form von Pflanzenkrebs“, erklärt die Biologin. Wie auch beim Menschen oder bei Tieren ist bei Pflanzen in der Regel ein genetischer Defekt dafür verantwortlich, dass sich Zellen ungebremst teilen und vermehren. Der programmierte Zelltod, der normalerweise dafür sorgt, dass geschädigte Zellen sich selbst zerstören, ist dann außer Kraft gesetzt. Im Fall der Wurzelhalsgallen ist das ähnlich – und doch ganz anders.

Das Bakterium drückt der Pflanze seinen Willen auf

„Diese Form von Pflanzenkrebs wird durch das Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens ausgelöst“, sagt Rosalia Deeken. Die Würzburger Pflanzenwissenschaftlerin fand heraus, dass das Bakterium die Abwehrmechanismen der Wirtspflanze so manipuliert, dass es ungehindert Teile seines Erbguts in das Erbgut der Wirtspflanzen einschleusen kann. Dann programmiert es die befallene Zelle um. „Wir konnten nachweisen, dass das Bakterium die Aktivität einer großen Anzahl von Genen verändert und die Pflanze dazu bringt, eine Reihe von Hormone verstärkt zu produzieren“, erklärt Deeken. In der Folge startet eine unkontrollierte Zellvermehrung, ein Tumor entwickelt sich.

Dessen Wachstum zeigt Parallelen zum Wachstum von Tumoren beim Menschen: Während im menschlichen Organismus neue Blutgefäße entstehen, die die Krebszellen mit Nährstoffen versorgen, bilden sich in der Pflanze neue Leitungsbahnen. Diese Bahnen koppeln an das reguläre Gefäßsystem der Wirtspflanze an und versorgen den Tumor mit allem, was er zum Leben benötigt. „Die pflanzlichen Tumorzellen stellen dann ihre ursprüngliche Fähigkeit ein, sich selbständig von Licht und Kohlendioxid zu ernähren. Stattdessen entziehen sie der Wirtspflanze die Nährstoffe, was zu Lasten der Samen- oder Fruchtausbeute geht“, so die Wissenschaftlerin.

Auszeichnung von führenden Forschern

Ihre bahnbrechenden Forschungsergebnisse hat Rosalia Deeken in mehreren Artikeln in international bedeutenden Pflanzenzeitschriften veröffentlicht. Deren Qualität hat jetzt noch eine weitere Bestätigung erfahren: Die Gruppe weltweit führender Forscher in der Biologie, die Faculty of 1000 hat ihnen das Prädikat „recommended“ – empfohlen als lesenswerte Publikation“ verliehen. Bei der Faculty of 1000 Biology handelt es sich um eine Plattform, die neu publizierte wissenschaftliche Artikel aus den Fachbereichen der Biologie auflistet. Deren Qualität wurde zuvor von Wissenschaftlern begutachtet und bewertet.

In diesen Listen sind auch weitere Wissenschaftler der Universität zu finden; beispielsweise Rainer Hedrich, Inhaber des Lehrstuhls für Botanik I, an dem Rosalia Deeken forscht. Oder – in der Faculty of 1000 Medicine – der Inhaber des Lehrstuhls für Pharmakologie und Vizepräsident der Uni Würzburg Martin Lohse.

Kontakt
Dr. Rosalia Deeken,
T: (0931) 3 18 92 03;
deeken@botanik.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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