Pflanzen im Süden machen länger Siesta

Arabidosis thaliana in Südschweden GMI / Kerdaffrec

Eines der Hauptziele moderner Genetik ist es zu verstehen, wie die Gene eines Individuums in ihren Phänotyp übersetzt werden – also wie ein Individuum aussieht, sich entwickelt und verhält.

Als Mendel als Erster damit begonnen hat Pflanzen zu erforschen und bei seinen Versuchen Phänomene entdeckt hat, die wir heute Genetik nennen, hat er einfache Merkmale ausgewählt, die klare Vererbungsmuster aufgewiesen haben: Erbsen waren entweder glatt oder runzelig, gelb oder grün. Mittlerweile wissen wir, dass diese Eigenschaften durch die Unterschiede in einzelnen Genen kodiert sind.

Die meisten Merkmale eines Individuums funktionieren aber nicht auf diese Weise: Sie sind durch mehrere Gene festgelegt und darüber hinaus stark von der Umwelt beeinflusst. Ein klassisches Beispiel ist die Größe: Sie ist stark durch Umweltfaktoren wie Ernährung beeinflusst. Aktuelle Studien haben gezeigt, dass die Größe eines Individuums durch tausende von Genen reguliert wird.

Jedes dieser Gene hat dabei nur einen kleinen Effekt. Viele menschliche Eigenschaften – darunter die meisten Krankheiten – scheinen auch auf diese Art genetisch komplex zu sein. Anders scheint das aber bei jenen Merkmalen zu sein, die einen evolutionären Vorteil beisteuern: Sie dürften nur von einem oder sehr wenigen Genen mit großen Effekten gesteuert werden. Dieser Unterschied ist nicht nur für die Genetik wichtig, sondern auch für die praktische Anwendung in Landwirtschaft und Medizin.

Publikation im Journal eLife

In einer im Dezember im renommierten Journal eLife publizierten Arbeit hat ein Forscherteam unter der Leitung des PhD-Studenten Envel Kerdaffrec die genetischen Grundlagen der Keimruhe (Seed dormancy) bei der Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) untersucht. Kerdaffrec arbeitet am Labor von Magnus Nordborg am Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, subventioniert durch den Europäischen Forschungsrat.

Die Keimruhe ist ein wichtiges Merkmal, das evolutionäre Vorteile bietet: Sie trägt dazu bei, den besten Zeitpunkt zu finden, wann der Samen auskeimen soll. Dazu haben die Forscher eine Pflanzenpopulation verwendet, die an verschiedenen Orten mit unterschiedlichen Umweltbedingungen in Nord- und Südschweden gesammelt wurde. Im Labor keimen Samen aus Nordschweden rasch, was auf eine Anpassung an die kurze Wachstumssaison im Norden schließen lässt. Samen aus Südschweden hingegen können für lange Zeit ruhen – wahrscheinlich eine Anpassung an die trockenen Sommer im Süden.

Da das Genom dieser Pflanzen bekannt war, konnten die Forscher durch eine genomweite Assoziationsstudie bestimmen, welche Gene kontrollieren, wie lange die Samen in der Ruhephase bleiben. Überraschenderweise fanden sie den Unterschied in einem einzigen Gen, genannt DOG1 (DELAY OF GERMINATION1). Dieses Gen ist für die meisten Varianten zuständig – was bedeutet, dass die Unterschiede in diesem Merkmal von einem einzigen Gen mit großem Effekt kontrolliert werden.

Zeitpunkt des Auskeimens bestimmt Überlebensfähigkeit

Dann testeten sie, wie die unterschiedlichen Versionen dieses Gens sich auf die Lebensfähigkeit der Pflanzen in der Natur auswirken. Im Frühsommer pflanzten sie eine gemischte Population der Pflanzen mit unterschiedlichen Varianten von DOG1 an einem Ort in Südschweden. Danach stellten sie fest, welche Pflanzen den Sommer und Herbst überlebten. Bemerkenswerterweise waren Pflanzen mit einer DOG1-Variante, die frühes Keimen hervorruft, 50 Prozent weniger überlebensfähig als diejenigen, bei denen das Auskeimen verzögert wird. Das legt den Schluss nahe, dass die Ermittlung des Zeitpunkts des Auskeimens eine der wichtigsten Eigenschaften ist, die darüber bestimmt, ob eine Pflanze überlebt. Die natürliche Selektion für dieses Merkmal dürfte durch verschiedene Versionen von DOG1 entstanden sein.

Magnus Nordborg: „Ich glaube, es wird sich zeigen, dass viele die Anpassung betreffende Merkmale eine ähnliche genetische Architektur aufweisen: Eines oder nur wenige Gene erklären den Großteil der Merkmalsunterschiede. Zu verstehen warum das so ist, wird für das grundlegende Verständnis der Genetik ebenso wichtig sein wie für die Anwendung in der Medizin und in der Landwirtschaft.“

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Links zur Publikationen:
https://elifesciences.org/content/5/e22502
DOI: http://dx.doi.org/10.7554/eLife.22502

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