Was passiert, wenn Bienen in einem ihnen unbekannten Gelände ausgesetzt werden?

Der sprichwörtliche Fleiß der Honigbiene ist Tatsache: Ständig sind die Sammler unterwegs auf der Suche nach Pollen, Nektar und Wasser und legen dabei gewaltige Strecken zurück. Damit sie sich nicht verirren, orientieren sich die Tiere an einer Reihe von Merkmalen, beispielsweise am Stand der Sonne, an der Schwingungsebene polarisierten Lichts, an bestimmten Kennzeichen in der Landschaft und an der zurückgelegten Entfernung. Diese Informationen können sie auch mit Hilfe des Schwänzel-Tanzes an ihre Kollegen weitergeben.

Ob Bienen allerdings auch in der Lage sind, in ihren Bienenstock zurückzufinden, wenn sie in einer unbekannten Gegend ausgesetzt werden, das haben Bienenforscher der Universität Würzburg und der Australian National University in Canberra untersucht. Über ihre Arbeit berichten sie in dem Fachmagazin Plos ONE.

„Wir haben in unseren Experimenten herausgefunden, dass ab einer Entfernung von mehr als drei Kilometern Bienen vor allem aus einer Himmelsrichtung wieder nach Hause gefunden haben“, sagt Mario Pahl. Pahl ist Doktorand in der Beegroup – einem Zusammenschluss von Bienenforschern der Universität Würzburg. Aus der passenden Richtung haben es die Tiere sogar dann zurück in ihren Bienenstock geschafft, wenn sie dafür mehr als elf Kilometer zurücklegen mussten.

„Wir gehen davon aus, dass Bienen das Landschaftspanorama erkennen und in ihre Positionsberechnung einbeziehen können“, sagt Pahl. Kommt der Honigsammlerin also das Panorama vertraut vor, weiß sie auch aus großer Entfernung, in welche Richtung sie sich für den Heimflug wenden muss. Im Gegenzug tun sich Bienen ohne den bekannten Anblick schwer mit der Entscheidung, wohin sie sich wenden sollen.

Das Experiment

Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler Sammelbienen direkt nach Erreichen des Stocks abgefangen und in eine schwarze Schachtel gesetzt. Anschließend transportierten sie die Schachteln an ausgewählte Punkte nördlich, südlich, westlich und östlich des Bienenstocks und ließen die Tiere in Entfernungen zwischen mehreren hundert Metern und 13 Kilometern frei. Erschwerend kam hinzu, dass an manchen Stellen Berge den Blick in Richtung Bienenstock blockierten.

„Auf ihren Sammelflügen speichern die Bienen ständig Distanz- und Richtungsinformationen, um jederzeit in einer geraden Linie zum Stock zurückfliegen zu können. Durch das Fangen der Tiere nach ihrer Rückkehr am Stockeingang haben wir das Navigationssystem der Bienen sozusagen auf Null gesetzt. Sie verfügten nach dem Transport über keinerlei Richtungs- oder Entfernungsinformationen in Bezug auf ihren Bienenstock. So stellten wir sicher dass sie sich auf bereits vorhandenes Wissen über die Landschaft verlassen mussten “, erklärt Pahl.

Ob es die ausgesetzten Tiere zurück in den Stock schaffen und wie lange sie dafür brauchen, haben die Forscher mit Hilfe einer ausgefeilten Technik erfasst: „Jede Biene erhielt von uns einen winzig kleinen Chip auf den Brustkorb, der mit einer individuellen Kennung versehen war“, sagt Pahl. Ein Empfänger am Einflugloch des Bienenstocks konnte so die exakte Ankunftszeit jedes einzelnen Exemplars festhalten – auch solcher Tiere, die erst nach Tagen wieder zurück gefunden hatten.

Das Ergebnis

„Bienen, die aus dem Osten kamen, erreichten den Bienenstock deutlich schneller als Tiere, die wir im Norden, Süden und Westen freigelassen hatten“, fasst Pahl das Ergebnis der Experimente zusammen. Und: „Wenn wir die Bienen mehr als sieben Kilometer entfernt freiließen, fanden nur die Bienen aus dem Osten erfolgreich nach Hause zurück.“

Den Grund dafür sehen die Forscher in der Gestalt der Landschaft: Die Tiere, die von Osten aus ihren Heimflug starten mussten, konnten einen bestimmten Berg – den Black Mountain – aus einem ihnen vertrauten Blickwinkel sehen. Damit verfügten sie im Unterschied zu ihren Konkurrenten über die wichtige Information, in welche Richtung der Bienenstock zu finden war.

Was die Wissenschaftler darüber hinaus faszinierte: Manche Bienen waren zwei bis drei Tage unterwegs, bis der Empfänger am Einflugloch ihre Rückkehr registrierte. Das spricht dafür, dass sie in der Lage sind, Informationen über den Weg und das Gelände auch über einen längeren Zeitraum hinweg zu behalten. „Es ist faszinierend zu sehen, dass die Honigbiene mit ihrem Gehirn, das gerade mal so groß ist wie ein Samenkorn, so viele Informationen speichern kann“, sagt Pahl.

Die Untersuchungen wurden durchgeführt in Kooperation zwischen der Bienenforschungsgruppe des Vision Centre an der Research School of Biology, Australian National University, geleitet von Professor ShaoWu Zhang, und der Beegroup der Universität Würzburg, geleitet von Professor Jürgen Tautz.

“Large Scale Homing in Honeybees”, Mario Pahl, Hong Zhu, Jürgen Tautz, Shaowu Zhang, Plos One, doi:10.1371/journal.pone.0019669.t001

Kontakt
Mario Pahl, Lehrstuhl für Zoologie II, T: (0931) 31-89176,
E-Mail: mario.pahl@uni-wuerzburg.de

Media Contact

Gunnar Bartsch idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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