Parasitenflirt: Molekulare Kamera zeigt Paarungszustand von Bilharziose-Erregern in 3D

3D Oberflächenbild mit drei Biomolekülen in rot-grün-blau-Kodierung Bernhard Spengler

Die Natur besteht aus Oberflächen und Abgrenzungen wie Organellen, Zellwänden oder Haut. Ein großer Teil der Kommunikation von Lebewesen – unter anderem zur Organisation und zur Fortpflanzungssteuerung – verläuft über diese Oberflächen.

Während die analytischen Wissenschaften in den vergangenen Jahrzehnten enorm zur Aufklärung und dem Verständnis von Lebensvorgängen in Populationen, in Körpern, in Organellen und in den Zellen tierischen oder pflanzlichen Ursprungs beigetragen haben, lagen die Oberflächen solcher Lebewesen bislang weitgehend im Dunkeln.

Eine neuartige Apparatur und Methodik liefert nun erstmals sowohl stoffliche (molekulare) als auch topographische (mikroskopisch bildliche) Information von den Oberflächen und Kontaktflächen von Tieren und Pflanzen.

Mit einem jetzt in der Zeitschrift „Nature Methods“ vorgestellten neuen massenspektrometrischen Mikroskop lassen sich Substanzen, die zum Beispiel der Kommunikation oder Steuerung zwischen Mitgliedern bestimmter Populationen dienen, in ihrem chemischen Aufbau erkennen und gleichzeitig in einem dreidimensionalen Bild einer Oberfläche darstellen.

Das in der Arbeitsgruppe von Prof. Bernhard Spengler, Institut für Anorganische und Analytische Chemie, entwickelte Gerät benutzt dazu einen Laserstrahl, der auf einen sehr kleinen Punkt mit einem Durchmesser von wenigen Mikrometern gebündelt wird.

Um diesen Laserpunkt in die jeweils richtige Höhe auf einer gewölbten Oberfläche zu bringen, benutzen die Wissenschaftler ein selbst entwickeltes Autofokussystem, wie es in ähnlicher, einfacherer Form zum Beispiel in Kameras verwendet wird.

„Von einer Oberfläche wird punktweise die Zusammensetzung eines mikrometergroßen Gebietes bestimmt“, erklärt Mario Kompauer, Doktorand der Arbeitsgruppe. „Für jeden einzelnen Punkt wird dabei schrittweise im Mikrometermaßstab die jeweilige Höhe gemessen und angepasst, die Stelle analysiert und anschließend vom Computer zu einem dreidimensionalen Bild der Oberfläche zusammengesetzt.“ Dieses Bild zeigt nicht nur die Form des Objektes, sondern auch seinen stofflichen Aufbau.

Mit dem weltweit einzigartigen neuen Gerät kann die Arbeitsgruppe gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Biologie und der Medizin zahlreiche Fragen beantworten. Neben den Oberflächen von Blättern oder pilzbefallenem Saatgut ist seit kurzem auch die Oberfläche eines Wurmparasiten von besonderem Interesse.

„Wir sind begeistert, dass wir mit der neuen analytischen Technologie nun zum Beispiel die Oberfläche von Schistosomen, das sogenannte Tegument, im Paarungszustand untersuchen können“, sagt Prof. Christoph G. Grevelding, Parasitologe an der Universität Gießen.

Die Paarung ist eine Voraussetzung für den Lebenszyklus dieser Parasiten, die die Krankheit Bilharziose (Schistosomiasis) hervorrufen. Die tödliche, aber dennoch vernachlässigte Tropenerkrankung wird von den zweigeschlechtlichen Schistosomen verursacht, die auch Pärchenegel genannt werden.

„Wenn man den im menschlichen Körper stattfindenden, dauerhaften Paarungszustand der Schistosomen unterbrechen könnte, ließe sich möglicherweise die tödliche Parasitenerkrankung heilen und weltweit dauerhaft zurückdrängen“, meint Dr. Sven Heiles, Habilitand in der Arbeitsgruppe der Massenspektrometriker.

Was sich da auf der „Haut“ dieser nur wenige Mikrometer großen Würmer abspielt und die Paarung hervorruft und aufrecht erhält, wollen die Wissenschaftler nun mit der neuen dreidimensionalen Oberflächenanalytik untersuchen.

Publikation
Mario Kompauer, Sven Heiles & Bernhard Spengler: „Autofocusing MALDI mass spectrometry imaging of tissue sections and 3D chemical topography of nonflat surfaces”, Nature Methods
(2017)
doi:10.1038/nmeth.4433

Mikroskopiebild des parasitären Saugwurms
3D Oberflächenbild mit drei Biomolekülen in rot-grün-blau-Kodierung.

Oberflächenstruktur (Topographie) des Pärchenegels. Die Balken repräsentieren jeweils 200 µm.

Kontakt

Prof. Dr. Bernhard Spengler
Institut für Anorganische und Analytische Chemie
Heinrich-Buff-Ring 17, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-34800
E-Mail: bernhard.spengler@anorg.chemie.uni-giessen.de

http://www.nature.com/nmeth/journal/vaop/ncurrent/full/nmeth.4433.html

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Lisa Dittrich idw - Informationsdienst Wissenschaft

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