Parasiten auf dem Sprung – Wie die Zelle mobile genetische Elemente unterdrückt

Weil dies dem gesamten Organismus gefährlich werden kann, sollen mehrere molekulare Mechanismen die Aktivität der Transposons unterdrücken. Ein Forscherteam um den Biochemiker Professor Klaus Förstemann vom Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München konnte nun in der Taufliege Drosophila melanogaster eine neue Art der zellulären Abwehr gegen Gensequenzen nachweisen, die in hoher Kopienzahl vorliegen – selbst wenn diese noch nicht in das Genom eingebaut sind.

Kleine RNA-Moleküle, das sind dem DNA-Erbmolekül nahe verwandte Nukleinsäuren, spielen hier die Hauptrolle. „Transposons sind sozusagen die Parasiten des Genoms“, sagt Förstemann. „Werden sie nicht in ihrer Ausbreitung unterdrückt, kann das Genom der Zelle instabil werden oder aber Krebs entstehen. Wir wollen jetzt testen, ob die neu entdeckte Abwehr auch in Säugerzellen auftritt und wie genau sie funktioniert.“ (EMBO online, 30. Juli 2009)

Die meisten höheren Organismen tragen in ihrem Genom einen großen Anteil an Transposons. Nach Schätzungen können diese mobilen Elemente mit einem oder mehreren Genen bis zur Hälfte des genetischen Materials ausmachen. „Das zeigt, dass die Zähmung der 'egoistischen' genetischen Elemente oft nicht sofort erfolgreich ist“, meint Förstemann. Dabei gibt es äußerst effiziente Abwehrmaßnahmen. In den Keimzellen etwa, die für die Fortpflanzung benötigt werden, sorgt das System der sogenannten piRNAs für eine Unterdrückung der Transposons – aber nur wenn diese Moleküle von der Mutter weitergegeben werden. Kommt es dabei zu Störungen, ist die Fruchtbarkeit der Nachkommen meist drastisch vermindert.

Für die Zwecke der Transposons sind Keimzellen das optimale Ziel, weil diese ihr genetisches Material – mitsamt mobilen Elementen – an alle Zellen des Nachwuchses weitergeben. Aber auch normale Körperzellen können von Transposons „befallen“ werden. Bestimmte Viren etwa tragen die mobilen Elemente im Genom und geben diese an ihre Wirtszellen weiter. Transposons müssen also auch in Körperzellen unterdrückt werden. Vor kurzem konnten in der Taufliege sogenannte endo-siRNAs nachgewiesen werden, die wohl eben diese Aufgabe übernehmen. In Mäusen wurde eine ähnliche Klasse von Molekülen gefunden.

Diese siRNAs ermöglichen es der Zelle, über den Prozess der RNA-Interferenz, gezielt die von den Transposons abgeleitete Boten-RNA zu erkennen und zu zerstören. In der vorliegenden Arbeit konnten die Forscher um Förstemann ein Protein nachweisen, das für die Erzeugung von endo-siRNAs essentiell ist: Dabei handelt es sich um eine bislang unbekannte Variante von „Loquacious“. Dieses Protein kommt in Drosophila vor und kann bestimmte RNA-Moleküle binden, die als Vorläufer der endo-siRNAs dienen. Das Team konnte zudem eine echte Neuheit nachweisen: Die Unterdrückung der Transposons war auch dann nachweisbar, wenn mehrere Kopien der mobilen Elemente in der Zelle vorlagen, diese aber noch nicht in das Genom eingebaut waren.

Die erst seit relativ kurzer Zeit bekannte RNA-Interferenz hat sich als Forschungsgebiet bereits fest etabliert. Dank neuer Funde wird auch das bekannte Repertoire an kleinen RNAs immer größer. „Es ist deshalb sehr wichtig, jede Molekülklasse in ihrer Herstellung und spezifischen Funktion zu unterscheiden“, betont Förstemann. „Das ist aber gar nicht so einfach, denn diese RNA-Moleküle sind in etwa gleich groß und chemisch extrem ähnlich. Wir werden jetzt testen, ob der Mechanismus, den wir in Drosophila gefunden haben, auch in Säugerzellen existiert. Außerdem wollen wir wissen, wie die Abwehrreaktion gezielt gegen die in hoher Kopienzahl vorliegenden Sequenzen gerichtet werden kann.“

Das Projekt wurde im Rahmen des Exzellenzclusters „Center for Integrated Protein Science Munich“ (CIPSM) durchgeführt. (suwe)

Publikation:
„Endo-siRNAs depend on a new isoform of loquacious and target artificially introduced, high-copy sequences“
Julia Verena Hartig, Stephanie Esslinger, Romy Böttcher, Kuniaki Saito and Klaus Förstemann

EMBO Journal online, 30. Juli 2009

Ansprechpartner:
Professor Klaus Förstemann
Genzentrum der LMU
Tel.: 089/2180 – 76912
E-Mail: foerstemann@lmb.uni-muenchen.de

Media Contact

Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-muenchen.de

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