Optogenetisches Werkzeug entschlüsselt: RUB-Forscher erklären Kanalrhodopsin
Nervenzellen mit Hilfe von Licht kontrollieren: das ermöglicht die Optogenetik. Sie erlaubt mit bisher unerreichter räumlicher und zeitlicher Präzision beispielsweise neurobiologische Prozesse zu untersuchen. Das Schlüsselwerkzeug der Optogenetik ist das lichtaktivierbare Kanalrhodopsin. Biophysiker aus Bochum und Berlin haben in einem interdisziplinären Ansatz jetzt den Schaltmechanismus aufklären können. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im „Journal of Biological Chemistry“.
Umverteilung von Wassermolekülen
Bisher war wenig über die Funktionsweise des Proteins bekannt – insbesondere darüber, wie sich der Kanal öffnet. Ein tieferes Verständnis ist jedoch Voraussetzung, um das lichtgesteuerte Protein für neurobiologische Anwendungen gezielt einsetzen zu können. In einem neuen, fachübergreifenden Ansatz haben die Bochumer Wissenschaftler um Prof. Dr. Klaus Gerwert (Lehrstuhl für Biophysik an der RUB) und ihre Berliner Kooperationspartner den Schaltmechanismus herausgearbeitet. Das Ergebnis: Die durch Licht induzierte Veränderung der Aminosäure Glutamat 90 (E90) löst ein verstärktes Eindringen von Wassermolekülen aus, so dass das Protein nun gezielt Ionen durch die Zellmembran leiten kann.
Drei Methoden kombiniert
Die RUB-Biophysiker Jens Kuhne und Dr. Erik Freier konnten mittels zeitaufgelöster Infrarot-Spektroskopie erstmals zeigen, dass der Kanal durch die Deprotonierung der Aminosäure Glutamat 90 (E90) geöffnet wird. Ergänzend bestätigen elektrophysiologische Experimente der Berliner Forscher, dass eine Mutation der Aminosäure zu einer veränderten Ionendurchlässigkeit des Proteins führt. Anstelle von Schutzbrille und Laborkittel nutzten die beiden Biophysiker Kirstin Eisenhauer und Dr. Steffen Wolf am Biophysik-Lehrstuhl Hochleistungsrechner, um zu simulieren wie der Protonierungswechsel des Glutamats den Kanal öffnet und Wassermoleküle eindringen lässt.
International die Nase vorn gehabt
Die Arbeit bekommt gerade jetzt eine besondere Bedeutung, weil japanische Forscher kurz nach der Bochumer Vorab-Veröffentlichung im Internet die dreidimensionale Struktur eines Kanalrhodopsins in „Nature“ ebenfalls online veröffentlichten. „Die Strukturarbeit bestätigt eindrucksvoll unsere biomolekularen Simulationen und die Schlüsselrolle der Aminosäure E90 für das Schalten des Kanals“, sagt Prof. Klaus Gerwert. „Wir sind daher besonders stolz darauf, in diesem international sehr kompetitiven Feld die Nase vorn gehabt zu haben.“ Die Optogenetik wurde 2010 in „Nature Methods“ als „Method of the year“ ausgezeichnet. Forschern ist es mit dieser Methode z. B. gelungen, bei blinden Mäusen die Sehkraft wiederherzustellen.
Titelaufnahme
K. Eisenhauer, J. Kuhne, E. Ritter, A. Berndt, S. Wolf, E. Freier, F. Bartl, P. Hegemann, K. Gerwert,: In channelrhodopsin-2 E90 is crucial for ion selectivity and is deprotonated during the photocycle, The Journal of Biological Chemistry, Vol. 287, Issue 9, 6904-6911, 2012, DOI: 10.1074/jbc.M111.327700
Weitere Informationen
Prof. Dr. Klaus Gerwert, Lehrstuhl für Biophysik, Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität Bochum, Tel. 0234/32-24461, gerwert@bph.rub.de
Redaktion: Jens Wylkop
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.ruhr-uni-bochum.de/Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Ideen für die Zukunft
TU Berlin präsentiert sich vom 22. bis 26. April 2024 mit neun Projekten auf der Hannover Messe 2024. Die HANNOVER MESSE gilt als die Weltleitmesse der Industrie. Ihr diesjähriger Schwerpunkt…
Peptide auf interstellarem Eis
Dass einfache Peptide auf kosmischen Staubkörnern entstehen können, wurde vom Forschungsteam um Dr. Serge Krasnokutski vom Astrophysikalischen Labor des Max-Planck-Instituts für Astronomie an der Universität Jena bereits gezeigt. Bisher ging…
Wasserstoff-Produktion in der heimischen Garage
Forschungsteam der Frankfurt UAS entwickelt Prototyp für Privathaushalte: Förderzusage vom Land Hessen für 2. Projektphase. Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ist nicht frei verfügbar, sondern muss aufwendig hergestellt werden. Das…