Open Pharmacological Space: Die nächste Generation der IT zur Entwicklung von Medikamenten

Im Rahmen einer neuen Public Private Partnership der EU-Kommission mit Pharmakonzernen setzt sich ein Konsortium aus 22 europäischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Firmen zum Ziel, die Datenflut im World Wide Web zur Entwicklung neuer Arzneimittel zu nutzen.

Die Projektpartner haben sich dabei auf ein dreifach offenes Modell verständigt: Open Source, Open Access und Open Data. Gerhard Ecker, Professor an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien, ist wissenschaftlicher Koordinator von Open PHACTS.

Bei der Entwicklung von Medikamenten betreiben Pharmafirmen große Anstrengungen, öffentliche Datenquellen und interne Informationen zusammenzuführen. Dieser Prozess wurde bislang nicht gemeinsam vorgenommen und wäre aufgrund der fehlenden Interoperabilität vieler Datenbanken auch sehr aufwendig.

Mit der kürzlich gestarteten Initiative Open PHACTS (Open Pharmacological Concepts Triple Store) geht ein Konsortium aus 22 Partnern – 14 Universitäten bzw. Forschungseinrichtungen und acht Pharmakonzerne – einen gemeinsamen Weg: Sie verarbeiten semantische Web-Technologien – Informationen aus dem WWW, die automatisch interpretiert werden können –, um hunderte frei im Internet verfügbare Datenbanken zu verknüpfen.

Integration von Literatur-, Chemie- und Bioinformatikdatenbanken

Open PHACTS wird eine einzigartige Integration von Literatur-, Chemie- und Bioinformatikdatenbanken liefern. „Die Plattform wird es erlauben, komplexe, für die Entwicklung neuer Arzneimittel essentielle Fragestellungen zu formulieren und wie in einer Suchmaschine an das Internet zu senden“, erklärt Gerhard Ecker, Professor an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien und wissenschaftlicher Projektkoordinator.

Da wissenschaftlicher Text computerunterstützt nur schwer zu analysieren ist, werden Kernaussagen als semantische Triples extrahiert – bestehend aus Subjekt, Prädikat und Objekt. „Beispielsweise findet man die Information, dass Malaria von Stechmücken übertragen wird, tausende Male in verschiedensten Zusammenhängen in der Literatur. Mithilfe der neuen Technologie wird sie als semantisches Triple 'Malaria wird übertragen von Moskitos' zusammengefasst und extrahiert. Dies war bisher nur in kleinen und begrenzten Ansätzen möglich“, sagt Ecker.

Dreifach offen, drei Projektbereiche

Die Ergebnisse werden in einer frei zugänglichen Plattform veröffentlicht, dem Open Pharmacological Space (OPS). Um möglichst breite Akzeptanz zu erzielen, haben sich die Konsortiumspartner, bestehend aus Semantic Web-ExpertInnen, WissenschafterInnen und VertreterInnen europäischer Pharmafirmen, zu einem strikten Open Source-, Open Access- und Open Data-Modell verpflichtet. Open PHACTS gliedert sich dabei in drei Bereiche: die technische Entwicklung des Systems, die Durchführung von Anwendungsbeispielen sowie die Koordination und Nachhaltigkeitsplanung. Besondere Bedeutung kommt der Einbindung von Datenanbietern, Softwareentwicklern, Verlagen und kommerziellen Datenbankproduzenten zu. „Neben dem Überwinden bestehender Barrieren im Informationsmanagement schaffen wir eine nachhaltige Dateninfrastruktur, die die Kontinuität des OPS über die Projektlaufzeit 2014 hinaus gewährleistet“, freut sich Bryn Williams-Jones, Projektkoordinator von Pfizer Ltd, UK.

Universität Wien führend beteiligt

Open PHACTS zählt zu den größten laufenden Drittmittelprojekten an der Universität Wien. Deren Forschungsgruppe Pharmakoinformatik an der Fakultät für Lebenswissenschaften hat die Koordination des Projektes und das Projektmanagement inne. Gerhard Ecker, Leiter der Forschungsgruppe Pharmakoinformatik, ist führend an einem von zwei Arbeitspaketen aus dem Bereich der Fallstudien beteiligt. Er wird die Leistungsfähigkeit des Systems anhand der Fragestellung „Gib mir alle Substanzen, die mit Lebertoxizität assoziiert werden und deren Interaktionsprofile mit allen Transportproteinen, die in der Leber vorhanden sind“ testen.

„Für eine Frage dieser Komplexität müsste man derzeit mit konventionellen Methoden mehrere Monate lang Literaturrecherchen durchführen und zahllose Bioinformatik- und Arzneistoffdatenbanken durchforsten“, so Ecker. Mit seiner Fragestellung stellt Gerhard Ecker auch die Verbindung zu einem anderen großen Forschungsprojekt her, das sich die Entwicklung eines ExpertInnensystems zur Vorhersage von Toxizität zum Ziel gesetzt hat (eTOX).

Über die Innovative Medicines Initiative (IMI)

Die Innovative Medicines Initiative (IMI) ist eine Public Private Partnership der Europäischen Kommission und der Pharmaindustrie, vertreten durch die European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA). Das Budget des Projekts Open PHACTS beläuft sich auf 16,4 Mio. Euro, die Laufzeit beträgt drei Jahre ab März 2011. Die EFPIA-Partner stellen Daten, Expertise und Anwendungen zur Verfügung, während die universitären Partner Entwicklungsexpertise und Kompetenz aus pharmakologischer Forschung, Publikationen, Umgang mit Daten und semantischem Web beisteuern. Die Kosten der akademischen Partner werden von der IMI mit zehn Mio. Euro gefördert. An dem Projekt sind folgende 22 Partner beteiligt:

-) Pfizer Limited
-) Universität Wien
-) Technical University of Denmark
-) Universität Hamburg
-) BioSolveIT GmbH
-) Consorci Mar Parc de Salut de Barcelona
-) Leiden University Medical Centre
-) Royal Society of Chemistry
-) Vrije Universiteit Amsterdam
-) Spanish National Cancer Research Centre
-) University of Manchester
-) Maastricht University
-) Academic Concept Knowledge Ltd
-) University of Santiago de Compostela
-) Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
-) AstraZeneca AB
-) GlaxoSmithKline Research and Development Ltd
-) Laboratorios del Dr Esteve, S.A.
-) Novartis Pharma AG
-) Merck Serono
-) H. Lundbeck A/S
-) Eli Lilly and Company Ltd
Weitere Informationen
Webseite Open PHACTS: http://www.openphacts.org
Forschungsgruppe Pharmakoinformatik an der Universität Wien: http://pharminfo.univie.ac.at
Innovative Medicines Initiative: http://www.imi.europa.eu
Forschungsprojekt eTOX: http://www.etoxproject.eu
Wissenschaftlicher Kontakt
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Ecker
Department für Medizinische/Pharmazeutische Chemie
Universität Wien
1090 Wien, Althanstraße 14 (UZA II)
T +43-1-4277-551 10
gerhard.f.ecker@univie.ac.at
Rückfragehinweis
Mag. Alexander Dworzak
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 31
M +43-664-602 77-175 31
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