Neuronale Stammzellen greifen Glioblastome an

Dr. Sridhar Reddy Chirasani, Prof. Helmut Kettenmann und Dr. Rainer Glass (alle MDC) und Dr. Michael Synowitz von der Charité – Universitätsmedizin Berlin, haben jetzt in der Zellkultur und in Mäusen zeigen können, wie dieser von ihnen vor einiger Zeit entdeckte körpereigene Schutzmechanismus funktioniert (Brain, July 6, 2010, doi:10.1093/brain/awq128)*.

Glioblastome sind Hirntumoren, die meist im fortgeschrittenen Alter Mitte Fünfzig, Anfang Sechzig auftreten. Die Ursachen für ihre Entstehung sind bisher nicht bekannt. Die Forschung geht davon aus, dass fehlgesteuerte neuronale Stamm-/Vorläuferzellen zu Krebszellen mutieren und Glioblastome bilden können.

Vor einigen Jahren jedoch konnten die MDC-Forscher zusammen mit Forschern der Charité zeigen, dass normale Stamm-/Vorläuferzellen des Gehirns den Tumor angreifen. Offenbar lockt der Tumor selbst diese Stammzellen aus den Keimzentren (Stammzellnischen) des Gehirns über weite Strecken an. Weshalb, ist unklar. Auch wissen die Forscher bisher nicht, welche Substanz die Stammzellen zu dem Tumor lockt. Jetzt fanden sie heraus, wie die Stammzellen den Tumor unter Kontrolle halten.

Stammzellprotein schaltet Signal in Glioblastomzellen an
Die Wissenschaftler konnten jetzt nachweisen, dass die neuronalen Stammzellen und die neuronalen Vorläuferzellen ein Protein ausschütten, das zu der Familie der BMP-Proteine (bone morphogenetic protein) gehört. Dieses Protein verdankt seinen Namen seiner zuerst entdeckten Fähigkeit, die Bildung von Knochen- und Knorpelgewebe auszulösen. Es ist aber im gesamten Organismus aktiv, auch im Gehirn.

In der Umgebung von Glioblastomzellen schütten die neuronalen Stammzellen im Gehirn BMP-7 aus. Das Protein beeinflusst eine kleine Population von Krebszellen, die sogenannten Tumorstammzellen. Die Forschung geht inzwischen davon aus, dass diese Tumorstammzellen die eigentliche Ursache dafür sind, dass sich eine Krebsgeschwulst im Gehirn immer wieder erneuern kann. Eine kleine Menge dieser Zellen reicht aus, dass sich auch nach einer Operation wieder neue Tumore bilden. BMP-7 schaltet in den Tumorstammzellen einen Signalweg an, der sie in einen differenzierten Zustand versetzt. Das heißt, sie sind keine Tumorstammzellen mehr.

Die Aktivität der Stammzellen im Gehirn und somit der körpereigene Schutzmechanismus gegen Glioblastome nimmt aber mit zunehmendem Alter ab. Das könnte erklären, weshalb diese Tumore beim Menschen erst in höheren Lebensjahren auftreten, nicht aber bei Kindern und Jugendlichen.

Ziel – Tumorstammzellen zu zerstören
Die Entdeckung der Tumorstammzellen hat auch zu neuen Konzepten in der Therapie von Glioblastomen geführt. Die „normalen Krebszellen“ können mit Hilfe herkömmlicher Therapien (Operation, Bestrahlung, Chemotherapie) zerstört werden, was bei Tumorstammzellen kaum gelingt. Ziel ist es daher, Therapiekonzepte zu entwickeln, die diese Tumorstammzellen zerstören. Die Erkenntnisse aus den Mausexperimenten der Forscher in Berlin könnten einen neuen Weg aufzeigen, Tumorstammzellen in harmlosere Zellen umzuprogrammieren, die mit einer Therapie zerstört werden können.
* Bone morphogenetic protein-7 release from endogenous neural precursor cells suppresses the tumourigenicity of stem-like glioblastoma cells
Sridhar Reddy Chirasani,1 Alexander Sternjak,2 Peter Wend,3 Stefan Momma,4 Benito Campos,5 Ilaria M. Herrmann,5 Daniel Graf,6 Thimios Mitsiadis,6 Christel Herold-Mende,5 Daniel Besser,7 Michael Synowitz,1,8 Helmut Kettenmann1,* and Rainer Glass1,*
1 Cellular Neuroscience Group, Max Delbrück Center for Molecular Medicine, 13125 Berlin, Germany
2 Cellular Immunology Group, Max Delbrück Center for Molecular Medicine, 13125 Berlin, Germany
3 Signal Transduction, Epithelial Differentiation, and Invasion and Metastasis Groups, Max Delbrück Center for Molecular Medicine, 13125 Berlin, Germany
4 Restorative Neurology Group, Edinger Institute Frankfurt/M., 60528 Frankfurt/M., Germany
5 Division of Neurosurgical Research, Department of Neurosurgery, University of Heidelberg, 69120 Heidelberg, Germany
6 Institute of Oral Biology, ZZMK, Medical Faculty, University of Zurich, 8032 Zürich, Switzerland
7 Embryonic Stem Cells-Research Group, Max Delbrück Center for Molecular Medicine, 13125 Berlin, Germany
8 Department of Neurosurgery, Charite´ University Hospital, 13353 Berlin, Germany

*These authors contributed equally to this work.

Barbara Bachtler
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