Ein neues zürcherisches Bakterium unter uns: Streptococcus tigurinus

Vergrünende Kolonien von Streptococcus tigurinus auf einer Schafblutplatte. Foto: UZH<br>

Mehrere Billionen Bakterien besiedeln den Menschen. So besteht beispielsweise die mikrobielle Flora im Mund grösstenteils aus Streptokokken. Aufgrund ihrer Morphologie lassen sich Streptokokken in verschiedene Gruppen einteilen.

Nun ist es Forschenden des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich gelungen, innerhalb der Gruppe von «vergründenden Streptokokken» eine neue Bakerien-Art zu beschreiben. Vergrünende Streptokokken greifen rote Blutkörperchen (Erythrozyten) an und bauen deren Hämoglobin ab, wodurch grünliche Abbauprodukte entstehen. Diese Bakterien sind zwar normale Besiedler der Mundhöhle, sie können aber ins Blut eingeschwemmt werden und so Infektionen verursachen. Am häufigsten sind die Bakterien assoziiert mit Infektionen der Herzklappen, die antibiotisch und manchmal auch chirurgisch therapiert werden müssen.

In Zürich entdeckt

Mikrobiologen unter der Leitung von Andrea Zbinden entdeckten das Erstisolat bei einem Patienten mit einer Herzklappeninfektion (Endokarditis). Es gelang ihnen, den Erreger sowohl im Blut als auch in der Herzklappe nachzuweisen. Bei weiteren Patienten stellten sie fest, dass das Bakterium Infektionen der Hirnhäute (Meningitis) oder Wirbelkörper verursachte. Die Wissenschaftler konnten das neue Bakterium aufgrund verschiedener molekularbiologischer und phänotypischer Merkmale von den bisher bekannten vergrünenden Streptokokken unterscheiden und als neue Art beschreiben: «Streptococcus tigurinus». «Tigurinus», das Adjektiv von lateinisch «Tigurum», der vor allem im 17. und 18. Jahrhundert verwendete Name für Zürich. «Mit Streptococcus tigurinus haben wir also ein zürcherisches Bakterium gefunden», sagt die Ärztin Andrea Zbinden.

Bisher konnten die Mikrobiologen S. tigurinus nur als Erreger von schweren Infektionen nachweisen. «Dieses Bakterium kommt aber bestimmt im Mund von vielen Menschen vor, ohne sie krank zu machen», so Zbinden. Für die Mikrobiologen und Kliniker ist es nun wichtig, dass sie dieses Bakterium erkennen und somit auch weiter untersuchen können. Wie häufig S. tigurinus vorkommt und worauf sein pathogenes Potential zurückzuführen ist, wird folglich Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.

Literatur:
Andrea Zbinden, Nicolas J. Müller, Philip E. Tarr, Cathrin Spröer, Peter M. Keller, Guido V. Bloemberg. Streptococcus tigurinus sp. nov., isolated from blood of patients with endocarditis, meningitis and spondylodiscitis. International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. 22 February, 2012. doi: 10.1099/ijs.0.038299-0
Kontakt:
Dr. med. Andrea Zbinden
Institut für Medizinische Mikrobiologie
Universität Zürich
Tel. +41 44 634 05 13
E-Mail: azbinden@imm.uzh.ch

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Nathalie Huber Universität Zürich

Weitere Informationen:

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