Neues Regulationsverfahren bei Zellwandbiosynthese von Darmbakterien entdeckt

Mechanismus der Aktivierung des Schlüsselenzyms GlmS der Zellwandbiosynthese durch kleine RNAs in Darmbakterien. Foto: Universität Göttingen<br>

Wissenschaftler der Universität Göttingen und der Universität Würzburg konnten in einer Studie den Mechanismus aufklären, wie der Aufbau von Zellwänden bei Darmbakterien reguliert wird. Das Enzym Glukosamin-6-Phosphat-Synthase, kurz GlmS, regt dabei die Schlüsselreaktion der Biosynthese der Zellwände an.

Das Forscherteam konnte zeigen, dass an der Kontrolle dieses Vorgangs eine komplexe Abfolge von Reaktionen beteiligt ist, die aus zwei kleinen regulatorischen Ribonukleinsäuren (RNAs) und einem neuartigen RNA-bindenden Protein besteht. Der neu entdeckte Regulationsmechanismus findet in allen Darmbakterien statt. Zu diesen gehören bedeutsame Krankheitserreger wie pathogene Escherichia coli, zum Beispiel EHEC, und Salmonellen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Genes & Development erschienen.

Die RNA hat in der biologischen Zelle normalerweise die Aufgabe, genetische Informationen in Proteine umzusetzen. Kleine RNAs kodieren jedoch in der Regel nicht für Proteine, sondern sind wichtige regulatorische Moleküle, deren Bedeutung in Bakterien erst in den vergangenen Jahren erkannt wurde. Bei einem Mangel an Glukosamin-6-Phosphat – einem im menschlichen Körper natürlich vorkommenden Aminozucker – bildet die kleine RNA GlmZ mit der RNA GlmS Basenpaare und erhöht deren Stabilität, wodurch mehr GlmS-Protein aufgebaut wird.

Die entscheidende Frage war nun, wie die Menge der kleinen RNA GlmZ in der Zelle kontrolliert wird. Hierbei zeigte sich erstmalig, dass nicht etwa die Bildung, sondern der Abbau der kleinen RNA reguliert ist. Bei einem Überschuss an Glukosamin-6-Phosphat wird GlmZ durch das neuartige Protein RapZ gebunden und hierdurch dem Abbau durch eine Ribonuklease zugeführt. Bei einem Mangel an Glukosamin-6-Phosphat kommt nun eine zweite kleine RNA (GlmY) ins Spiel. GlmY häuft sich an und bindet sich an das Protein. Infolgedessen wird GlmZ nicht abgebaut und stimuliert die Synthese von GlmS, welches wiederum den Glukosamin-6-Phosphat-Spiegel in der Zelle erhöht.

Damit konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass eine kleine regulatorische RNA auf der Ebene ihres Abbaus unter Mitwirkung eines spezifischen Proteins, einem so genannten Adapterprotein, kontrolliert wird. Solche Adapterproteine waren bisher nicht bekannt. „Durch das tiefgreifende Verständnis der komplexen Regulation der bakteriellen Zellwandbiosynthese wird es nun möglich, neue und effektivere Angriffspunkte für die antimikrobielle Chemotherapie zu entwickeln“, sagt Privatdozent Dr. Boris Görke vom Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Göttingen und Co-Autor der Studie. „Bereits vorhandene Wirkstoffe, die direkt gegen das Enzym GlmS gerichtet sind, waren bisher wenig wirksam, weil die Zelle darauf mit der Aktivierung des obigen Mechanismus antwortet. Nun besteht die Möglichkeit, die Wirksamkeit dieser bereits vorhandenen Antibiotika zu erhöhen, indem sie mit neuen Wirkstoffen kombiniert werden, die gegen die Regulatoren des Enzyms gerichtet sind.“

Originalveröffentlichung: Yvonne Göpel et al. (2013). Targeted decay of a regulatory small RNA by an adaptor protein for RNase E and counteraction by an anti-adaptor RNA. Genes & Development. www.genesdev.org/cgi/doi/10.1101/gad.210112.112.

Kontaktadresse:
Privatdozent Dr. Boris Görke
Georg-August-Universität Göttingen
Institut für Mikrobiologie und Genetik
Abteilung für Allgemeine Mikrobiologie
Grisebachstraße 8, 37077 Göttingen
Telefon (0551) 39-3796
E-Mail: bgoerke@gwdg.de

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Thomas Richter idw

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