Neues zur Immuntherapie

Viele T-Zellen des Immunsystems sind grundsätzlich dazu in der Lage, Tumorzellen zu erkennen und zu zerstören. Die Wissenschaft versucht darum, die Kräfte der T-Zellen für die Behandlung von Krebs auszunutzen. An solchen Immuntherapien arbeiten weltweit viele Forschungseinrichtungen, und auch an der Universität Würzburg gibt es einschlägige Projekte.

Matthias Wölfl, Oberarzt an der Universitätskinderklinik, ist einer der Würzburger T-Zell-Experten. Als Postdoc in den USA war er bis 2007 an einem Projekt beteiligt, bei dem es um den Einsatz von T-Zellen gegen Leukämie ging. Jetzt sind die viel versprechenden Ergebnisse des Projekts im renommierten Journal „Science Translational Medicine“ veröffentlicht.

T-Zellen aktivieren und vermehren

Was bei dem Projekt in den USA gemacht wurde? „In jedem Menschen gibt es so genannte WT1-reaktive T-Zellen, die bestimmte Leukämieformen bekämpfen können“, erklärt Wölfl. Doch leider kommen diese Zellen im Körper nur in verschwindend kleinen Mengen vor: Unter einer Million T-Zellen befinden sich nur bis zu zehn der gesuchten Kandidaten.

Um die Zellen in der Therapie einsetzen zu können, müssen sie darum zuerst aus dem Blut „gefischt“ und im Labor so aktiviert werden, dass sie sich teilen und vermehren. Nach einem zwei Monate dauernden Prozess sind schließlich so viele T-Zellen vorhanden, dass sich daraus eine hoch konzentrierte Infusion für die Patienten herstellen lässt.

Überraschung nach 15 Jahren Arbeit

An diesem aufwändigen Projekt des Fred-Hutchinson-Krebsforschungszentrums in Seattle hat Wölfl drei Jahre lang mitgewirkt. Insgesamt stecken aber 15 Jahre Forschungsarbeit in den jetzt veröffentlichten Ergebnissen. Und die bergen eine Überraschung: „Für die therapeutische Wirkung ist es offenbar ganz entscheidend, auf welche Weise man die T-Zellen im Labor aktiviert“, so Wölfl.

Was die Forscher herausfanden: Kommen die T-Zellen bei ihrer Aktivierung mit dem Botenstoff Interleukin-21 in Kontakt, sind sie später weitaus langlebiger und damit auch länger gegen Tumorzellen aktiv. Im Blut der Patienten waren sie bis zu ein Jahr lang nachweisbar. Fehlte dagegen bei der Aktivierung das Interleukin, waren sie schon nach weniger als vier Wochen verschwunden.

Patienten mit hohem Rückfallrisiko

Getestet wurden die T-Zellen an elf Erwachsenen in den USA. Sie alle hatten die üblichen Therapien gegen Leukämie hinter sich und befanden sich in einer schwierigen Ausgangsposition: Alle hatten zuvor auch Stammzelltransplantationen erhalten, bei allen war das Risiko für einen Rückfall sehr hoch.

„Unter diesen Bedingungen dürfen wir froh sein, dass bei einigen Patienten eine Wirkung auf die bösartigen Zellen erreicht wurde. Drei Patienten haben sogar mehr als zwei Jahre lang leukämiefrei überlebt“, so Wölfl.

Nur elf Patienten und keine Kontrollgruppe? „Die Untersuchung war als Phase I/II-Studie angelegt, die am Anfang jeder Arzneimittelentwicklung steht. Die Frage der Wirksamkeit darf man dabei gar nicht stellen, denn dazu müssten weitaus mehr Patienten behandelt werden“, erklärt Wölfl. Dennoch habe die Untersuchung sehr wertvolle Erkenntnisse zum biologischen Verhalten der T-Zellen und zu ihrer Anwendungssicherheit geliefert. Und sie lasse erkennen, dass diese Form der Immuntherapie durchaus Behandlungserfolge verspricht.

Zusätzlicher Baustein der Therapie

„Grundsätzlich können T-Zellen nur ein zusätzlicher Baustein der Therapie sein“, betont Wölfl. Sie kommen für Patienten in Frage, bei denen die Zahl der Krebszellen durch die herkömmliche Behandlung stark verringert wurde: „In dieser Situation greift eine Immuntherapie am besten.“

Immuntherapie gegen Hirntumoren

An der Würzburger Universitätskinderklinik befasst sich Matthias Wölfl ebenfalls mit der Immuntherapie durch T-Zellen. Dabei wird in Kooperation mit den Professoren Paul Gerhardt Schlegel und Matthias Eyrich geprüft, wie T-Zellen zu aktivieren und aufzubereiten sind, damit sie die Überlebenschancen von Kindern und Jugendlichen mit bösartigen Hirntumoren (Glioblastomen) verbessern.

Die Projektpartner stecken derzeit mitten in der Arbeit, Patienten können noch nicht behandelt werden. Auch für diesen Therapieansatz gilt, dass er die herkömmliche Behandlung (Operation, Chemotherapie, Bestrahlung) ergänzen soll. Keinesfalls sei das Verfahren als „neue Wunderwaffe“ gegen Hirntumoren zu bewerten, betont Wölfl.

Das Hirntumor-Projekt wird im bayerischen Forschungsnetzwerk BayImmuNet gefördert und maßgeblich von der „Elterninitiative Aktion Regenbogen für leukämie- und tumorkranke Kinder Main-Tauber e.V.“ finanziell unterstützt.

„Transferred WT1-Reactive CD8+ T Cells Can Mediate Antileukemic Activity and Persist in Post-Transplant Patients”, Aude G. Chapuis, Gunnar B. Ragnarsson, Hieu N. Nguyen, Colette N. Chaney, Jeffrey S. Pufnock, Thomas M. Schmitt, Natalie Duerkopp, Ilana M. Roberts, Galina L. Pogosov, William Y. Ho, Sebastian Ochsenreither, Matthias Wölfl, Merav Bar, Jerald P. Radich, Cassian Yee, and Philip D. Greenberg, Science Translational Medicine, 27. Februar 2013, Vol. 5, Issue 174, p. 174ra27, DOI: 10.1126/scitranslmed.3004916

Kontakt

PD Dr. Matthias Wölfl, Universitätsklinikum Würzburg, Kinderklinik, T (0931) 201-27114, woelfl_m@klinik.uni-wuerzburg.de

Media Contact

Robert Emmerich Uni Würzburg

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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