Neuer Stumpfnasenaffe in Myanmar entdeckt

Bildrekonstruktion eines Stumpfnasenaffens.<br>Bild: Thomas Geissmann<br>

Das Team unter der Leitung von Thomas Geissmann vom Anthropologischen Institut der Universität Zürich entdeckte die neue Art im Frühjahr 2010. Im Rahmen einer mehrjährigen Bestandesaufnahme der Gibbonbestände waren sie im wenig erforschten Myanmar unterwegs und zählten auch alle anderen Affen. Als ein Jäger von einem grosslippigen Affen mit hochgestellter Nase erzählte, liess dies die Forscher aufhorchen.

«Die charakteristischen Merkmale deuteten auf Stumpfnasenaffen hin, die aber in Myanmar nicht vorkommen dürften», erzählt Thomas Geissmann. Bis anhin waren vier Arten von Stumpfnasenaffen bekannt, die alle in ihrem Fortbestand als bedroht eingestuft werden. Sie unterscheiden sich markant in ihrer Fellfärbung. Allen gemeinsam ist die seltsam geformte Nase mit vertikal aufgestellten Nasenflügeln und Nasenlöchern.

Nach zwei gezielten Expeditionen in den Nordosten des Landes konnte das Vorkommen von Stumpfnasenaffen in den Vorgebirgen des Himalajas bestätigt werden. Wie Thomas Geissman erklärt, hat die neue Affenart ein fast völlig schwarzes Fell mit weissen Ohrbüscheln. Sie unterscheidet sich darin von sämtlichen anderen Arten der Stumpfnasenaffen. Der Schwanz ist relativ lang und beträgt 140 Prozent der Kopf-Rumpflänge. Die neue Art, der Burmesische Stumpfnasenaffe (Rhinopithecus strykeri) wurde zu Ehren von Jon Stryker, dem Präsident und Gründer der Arcus Foundation benannt, der das Projekt unterstützte. In der Sprache der dort lebenden Menschen ist die Art aber als mey nwoah, «Affe mit aufgestellter Nase», bekannt.

Die Jäger erzählten den Forschenden, die Affen seien besonders bei Regen leicht zu finden: Man könne sie ständig niesen hören, weil ihnen das Regenwasser in die aufgestellten Nasen laufen würden. Die Affen würden daher Regentage mit den Köpfen zwischen den Knien sitzend verbringen.

Die Surveys und Interviews mit Jägern zeigten, dass das Verbreitungsgebiet der Affen auf das Tal des Maw Flusses beschränkt ist. Es handelt sich um ein Gebiet von etwa 270 Quadratkilometern. Die Tiere leben auf einer Höhe von 1700 bis 3200 Meter über Meer. Die gesamte Population scheint aus drei bis vier grossen Affengruppen zu bestehen, mit einer Populationsgrösse von 260-330 Individuen. Die neue Art wird als «kritisch bedroht» eingestuft.

Das kleine Verbreitungsgebiet liegt im Kachin-Staat im nordöstlichen Myanmar, nahe der chinesischen Grenze. Es ist von den anderen Vorkommen der Stumpfnasenaffen nicht nur durch hohe Gebirgszüge, sondern vor allem durch zwei grosse Verbreitungsbarrieren abgetrennt, den Flüssen Salween und Mekong. Die Isoliertheit des Vorkommens dürfte dazu beigetragen haben, dass die Art nicht vorher entdeckt wurde.

Thomas Geissmann befürchtet, dass der neu entdeckte Stumpfnasenaffe aus Myanmar schon bald ausgestorben sein könnte. Der Bau von grossen Dammprojekten und von Rodungsstrassen beginnt, das bisher isolierte Verbreitungsgebiet zu erschliessen.

Literatur:
Geissmann. T, Lwin. G, Aung. S, Naing Aung. T, Aung. Z M, Hla. T, Grindley. M, Momber. F, “A new species of Snub-nosed monkey, Genus Rhinopithecus Milne-Edwards, 1872 (Primates, Colobianae), From Northern Kachin State, Northeastern Myanmar”, American Journal of Primatology, Wiley-Blackwell, October 2010, DOI: 10.1002/ajp.20894
Kontakte:
Thomas Geissmann
Anthropologisches Institut
Universität Zürich
Tel: +41-44-635 54 13
Fax: +41-44-635 68 04
E-mail: thomas.geissmann@aim.uzh.ch

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer