Neue Erkenntnisse in der Muskelforschung

Damit können gezielter Medikamente gegen krankheitsbedingte Stoffwechselveränderungen der Muskulatur entwickelt werden. Die Forschungsergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Cell Metabolism“ publiziert.

Die Muskulatur macht in der Regel zwischen 20 und 40 Prozent der gesamten Körpermasse eines Menschen aus und ist für einen grossen Teil des Energiebedarfs verantwortlich. Deshalb ist es wichtig, den Energiestoffwechsel der Muskeln und dessen Einfluss auf den gesamten Körper besser zu verstehen. Bei vielen Krankheiten, wie zum Beispiel Krebs oder Aids, erhöht der oft einhergehende Verlust an Muskelmasse das Risiko frühzeitig zu sterben. Gezieltes Muskeltraining kann aber auch einen positiven Einfluss auf den Verlauf von Diabetes haben. All diese Phänomene beruhen auf Veränderungen des Stoffwechsels in der Muskulatur.

Nun hat das Forscherteam um Markus Rüegg, Professor für Neurobiologie am Biozentrum, entdeckt, dass ein bestimmtes Eiweiss namens „Raptor“ eine Schlüsselrolle bei der Muskelbildung spielt. Die neue Studie gibt wichtige Hinweise, wie der muskuläre Stoffwechsel funktioniert.

Muskelgewebe besteht hauptsächlich aus Muskelfasern, die auf verschiedene Art und Weise darauf spezialisiert sind, Energie zu gewinnen. Bei Säugetieren und Menschen lassen sich die Muskelfasern aufgrund ihrer unterschiedlichen Kontraktionseigenschaften grob in zwei Hauptkategorien einteilen: in langsam kontrahierende für Ausdaueraktivitäten und in schnell kontrahierende für kurzzeitige Höchstleistungen.

Langsam kontrahierende Muskelfasern erzeugen ihre Energie hauptsächlich mit Hilfe von Mitochondrien, kleiner Energiekraftwerke innerhalb der Zellen. Schnell kontrahierende Muskelfasern hingegen benötigen als Treibstoff grosse Mengen an Zucker. Für die mechanische Umsetzung der gewonnenen Energie ist das Zellskelett der Muskelfasern zuständig. Beide Muskelzelltypen unterscheiden sich deshalb in ihrem Zellskelett, dem Gehalt an Mitochondrien und den gespeicherten Nährstoffen. Je nach Individuum kann der Anteil der jeweiligen Muskelfasern variieren. So hat ein Ausdauersportler eine höhere Anzahl an langsam kontrahierenden Fasern als ein Bodybuilder, bei dem die schnell kontrahierenden Fasern überwiegen.

Bisher war nur sehr wenig über die molekularen Mechanismen bekannt, die für die Ausbildung der unterschiedlichen Eigenschaften der Muskelzellen verantwortlich sind. Markus Rüegg und Florian Bentzinger, Doktorand am Biozentrum und Erstautor der Studie, konnten nun zeigen, dass das Eiweiss „Raptor“ die Bildung der Mitochondrien steuert und die Kontraktionseigenschaften von langsam kontrahierenden Muskelfasern beeinflusst. „Raptor“ kontrolliert zudem den Aufbau des Zellskeletts und den Nährstoffgehalt von schnell kontrahierenden Fasern. Entfernt man dieses Eiweiss aus dem Muskel, gerät der gesamte Stoffwechsel der Muskelfasern so stark durcheinander, dass die Zellen teilweise zerstört werden. Die neu definierte Funktion von „Raptor“ im Energiestoffwechsel erklärt nun auch, warum dieses Eiweiss in fast allen Organismen – von der Hefe über Würmer und Pflanzen bis zum Menschen – vorkommt.

Mit den neuen Forschungsresultaten aus dem Biozentrum wird es möglich, Medikamente zu entwickeln, die gezielter in die Stoffwechselprozesse der Muskelfasern eingreifen. Die Arbeit wirft zudem die Frage auf, ob ein häufig verwendetes Medikament zur Immunsuppression, welches „Raptor“ hemmt, einen negativen Einfluss auf die Muskulatur haben könnte.

Originalbeitrag
Bentzinger et al.
Skeletal Muscle-Specific Ablation of raptor, but Not of rictor, Causes Metabolic Changes and Results in Muscle Dystrophy

Cell Metabolism (2008) | doi:10.1016/j.cmet.2008.10.002

Media Contact

Hans Syfrig idw

Weitere Informationen:

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