Nano: nicht nur kleiner, sondern ganz anders

Schematische Darstellung eines Membranproteins (Regenbogenfarben), das mithilfe einer fluorhaltigen Verbindung (blaue Kugeln mit F Ketten) in eine Membran eingebaut wurde, die aus einer Doppelschicht von Lipidmolekülen (rote Kugeln mit jeweils zwei Ketten) besteht.

Diese Materialien bestehen zumeist aus Fluorkohlenstoffen, also aus Verbindungen, deren aus Kohlenstoff bestehendes Grundgerüst Fluoratome anstelle der sonst weitverbreiteten Wasserstoffatome trägt. Solche fluorierte Verbindungen finden mittlerweile nicht nur im Haushalt und in vielen Industriezweigen Anwendung, sondern erfreuen sich auch in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen großer Beliebtheit, insbesondere als Nanostrukturen für die Erforschung von Membranproteinen.

Dabei handelt es sich um Proteine, die in zellulären Membranen verankert sind und dort wichtige Aufgaben wie den Stoff- und Informationsaustausch innerhalb und zwischen Zellen ermöglichen. Aufgrund dieser wichtigen biologischen Rolle stellen Membranproteine beliebte Forschungsobjekte und einen Großteil der Wirkstoffziele von Medikamenten dar.

Fluorierte Verbindungen kommen in der Membranproteinforschung typischerweise dann zum Einsatz, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Materialien und Nanopartikel angewiesen sind, die gegenüber ihrer Umgebung „inert“ sind, also nicht mit anderen Verbindungen reagieren.

Fluorkohlenstoffe erfüllen diese Bedingung in idealer Weise, und zwar sowohl bezüglich der zu untersuchenden Membranproteine, die wegen ihrer ölartigen chemischen Zusammensetzung wasserabweisend sind, als auch gegenüber wässrigen Lösungen, die üblicherweise im Labor zum Einsatz kommen.

Allerdings gibt es in jüngster Zeit vermehrt Interesse an Anwendungen, bei denen eine milde, gut kontrollierbare Wechselwirkung fluorierter Nanopartikel mit Membranproteinen einer absoluten Inertheit vorzuziehen wäre. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Membranprotein nach seiner Herstellung in einer Bakterienkultur mithilfe einer synthetischen chemischen Verbindung in seine korrekte Form zurückgebracht werden soll, damit es seine natürliche Funktion ausüben kann.

Mit Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachbereich Chemie sowie der Universitäten Halle und Avignon (Frankreich) haben Biophysiker der Technischen Universität Kaiserslautern nun gezeigt, dass genau dies möglich wird, wenn Fluorkohlenstoffe mit anderen chemischen Verbindungen so kombiniert werden, dass die daraus hervorgehenden Moleküle sich von alleine zu nanometerkleinen Strukturen – sogenannten Mizellen – zusammenlagern.

Im Gegensatz zu makroskopischen, also auf unserer alltäglichen Größenskala abbildbaren Objekten wie den obengenannten Teflonpfannen verfügen diese winzigen Strukturen über die Fähigkeit, ganz gezielt Kontakte mit wasserabweisenden Verbindungen herzustellen. Wie das internationale Wissenschaftlerteam kürzlich in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie berichtet hat, kann man sich diese besondere Eigenschaft zunutze machen, um empfindliche Membranproteine kontrolliert und ohne den Einsatz konventioneller, aggressiverer Hilfsmittel in einer biologisch aktiven Form in Lösung zu halten und sie so im Labor zu untersuchen.

Originalveröffentlichung:
Deutsch: E. Frotscher, B. Danielczak, C. Vargas, A. Meister, G. Durand, S. Keller. Angew. Chem. 2015, 127, 5158–5162 (in deutscher Sprache)
Englisch: E. Frotscher, B. Danielczak, C. Vargas, A. Meister, G. Durand, S. Keller. Angew. Chem. Int. Ed. 2015, 54, 5069–5073

Kontakt:
Juniorprof. Dr. Sandro Keller
Molekulare Biophysik
Fachbereich Biologie
Technische Universität Kaiserslautern
Erwin-Schrödinger-Str. 13
67663 Kaiserslautern
Tel. +49 631 205 4908
Fax +49 631 205 4895
sandro.keller@biologie.uni-kl.de

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25753129
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ange.201412359/full
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.201412359/full

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Thomas Jung Technische Universität Kaiserslautern

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