Molekularbiologie – Süße Scharfmacher

Der Translationsfaktor EF-P spielt bei der Regulation der Proteinproduktion eine wichtige Rolle: Wird die Proteinsynthese in den Ribosomen durch bestimmte Signale gestoppt, kann erst EF-P die zelluläre Proteinfabrik wieder anwerfen.

Studien an einer Reihe pathogener Bakterien haben gezeigt, dass dieser Vorgang etwa für die Produktion krankmachender Proteine wichtig ist – fehlt den Bakterien EF-P, sind sie deutlich weniger virulent. Allerdings kann EF-P die Proteinsynthese nur frei schalten, wenn es zuvor chemisch modifiziert wurde. „Wir haben nun einen völlig neuen Mechanismus für diese EF-P-Modifikation gefunden“, sagt die LMU-Mikrobiologin Kirsten Jung.

Zuckerzusatz aktiviert

Jungs Team konnte zeigen, dass EF-P aktiviert wird, wenn an einen bestimmten EF-P-Baustein – die Aminosäure Arginin – ein zusätzliches Zuckermolekül, eine sogenannte Rhamnose, angedockt wird. Dieser Vorgang wird als Arginin-Rhamnosylierung bezeichnet. „So weit wir wissen sind wir die Ersten, die eine derartige Modifikation bei Bakterien nachweisen konnten“, sagt Jürgen Lassak, der Erstautor der Studie.

EF-P kommt nicht nur in Bakterien vor, sondern auch Archaeen und Zellen höherer Organismen besitzen ein EF-P-Pendant. In einer früheren Arbeit (LINK http://www.sciencemag.org/content/339/6115/82.abstract) deckte Jung gemeinsam mit Daniel Wilson (Genzentrum), mit dem die Mikrobiologin im Rahmen des Exzellenzclusters CIPSM zusammenarbeitet und der auch an der neuen Studie beteiligt ist, die Funktionsweise von EF-P im Darmbakterium Escherichia coli auf.

„Allerdings wird E. coli EF-P auf eine andere Weise modifiziert, und die dafür notwendigen Enzyme besitzen nur 25 Prozent aller Bakterien. Mit unserer neuen Studie konnten wir die Bandbreite an Bakterien, für die die Art und Weise der EF-P-Modifikation bekannt ist, deutlich erweitern“, erklärt Jung.

Angriffspunkt für Antibiotika

Der Fund bietet möglicherweise einen Angriffspunkt für neuartige Antibiotika, die gerade vor dem Hintergrund der steigenden Zahl multiresistenter Keime dringend benötigt werden. „Die Arginin-Rhamnosylierung kommt auch bei klinisch relevanten Bakterien wie etwa Pseudomonas aeruginosa und Neisseria vor, häufig mehrfach resistenten Krankenhauskeimen“, sagt Lassak.

„Wenn wir einen Weg finden, diesen Mechanismus gezielt zu hemmen, könnte dies die Entwicklung neuer Wirkstoffe deutlich voranbringen“. Dieses Ziel wollen die Wissenschaftler weiter verfolgen und zusätzlich untersuchen, ob auch andere Proteine als EF-P mithilfe der Arginin-Rhamnosylierung modifiziert werden.

„Möglicherweise könnte man diesen Mechanismus auch im Rahmen der synthetischen Biologie nutzen, um die Eigenschaften und Funktionen von Proteinen zu modifizieren“, blickt Jung in die Zukunft.
(Nature Chemical Biology 2015) göd

Publikation
Arginine-rhamnosylation as new strategy to activate translation elongation factor P
Jürgen Lassak, Eva Keilhauer, Maximilian Fürst, Kristin Wuichet, Julia Gödeke, Agata L Starosta, Jhong-Min Chen, Lotte Søgaard-Andersen, Jürgen Rohr, Daniel N. Wilson, Susanne Häussler, Matthias Mann & Kirsten Jung
Nature Chemical Biology 2015
Doi: 10.1038/nchembio.1751

Kontakt:
Prof. Dr. Kirsten Jung / Prof. Dr. Jürgen Lassak
Department Biologie I, Ber. Mikrobiologie
Telefon: +49 (0)89 / 2180-74500/ -74508
E-Mail: jung@lmu.de; juergen.lassak@lmu.de
http://www.mikrobiologie.biologie.uni-muenchen.de

Media Contact

Luise Dirscherl idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer