Moleküle im Rampenlicht

Die Zeiträume, mit denen sich Patrick Nürnberger beschäftigt, sind so kurz, dass die Bezeichnung „Räume“ definitiv nicht angebracht ist. Der Physiker erforscht Prozesse, die sich im Femtosekundenbereich vollziehen. Eine Femtosekunde, das ist der milliardste Teil des Millionstels einer Sekunde. Zum Vergleich: Licht, das mit 300.000 Kilometern pro Sekunde schnellste Objekt im Universum, legt in einer Femtosekunde nicht einmal einen Tausendstel Millimeter zurück. Licht übernimmt in Nürnbergers Experimenten allerdings eine tragende Rolle.

„Wir schicken Laserlicht auf bestimmte Moleküle und untersuchen dann deren Reaktion“, beschreibt Nürnberger das Prinzip seiner Forschung. Was so einfach klingt, ist in Wirklichkeit mit einem enormen technischen Aufwand verbunden, langen Sitzungen im Labor und ausgiebigem Grübeln über den Messdaten. Nürnberger arbeitet mit Molekülen, die eine photochemische Reaktion zeigen, wenn Licht auf sie fällt. Beispielsweise können Photolacke reagieren, wenn Licht auf sie trifft – eine Eigenschaft, die in der Mikrochip-Herstellung Verwendung findet. Photochemische Reaktionen begegnen einem auch im Alltag, so etwa wenn der Aufkleber auf der Heckklappe eines Autos mit den Jahren verblasst.

Ein genaues Bild einer chemischen Reaktion

Nürnberger und sein Team interessieren sich dafür, was genau in den jeweiligen Molekülen vor sich geht. Dafür schicken sie für wenige Femtosekunden einen Laserpuls auf diese Substanzen, der die Reaktion in Gang setzt. Ein zweiter Laserpuls folgt im Abstand von ebenfalls wenigen Femto- bis Nanosekunden und liefert den Physikern eine Art Bild über die Vorgänge in dem Molekül.
„Solch ein Molekül besteht ja in der Regel aus vielen Bausteinen. In der Photolyse brechen möglicherweise einer oder mehrere davon ab, der Rest orientiert sich neu, kurzzeitig tauchen reaktive Zwischenprodukte auf“, erklärt Nürnberger. Wann genau solche Zwischenprodukte auftauchen, wie lange sie existieren, was anschließend mit ihnen passiert – das ist ein Teil der Forschung von Nürnbergers Arbeitsgruppe.

Reaktionen gezielt beeinflussen

Der zweite Teil geht einen Schritt weiter. Dabei begnügen sich die Wissenschaftler nicht damit, die Reaktion zu beobachten; in diesem Fall wollen sie sie auch noch beeinflussen. Dabei setzen sie auf unterschiedliche Techniken, die ganz nach Bedarf miteinander kombinierbar sind. Beispielsweise teilen sie den Laserpuls in Licht unterschiedlicher Wellenlänge auf: So trifft etwa erst blaues Licht auf das Molekül und regt es an; kurz darauf folgt ein grüner Lichtblitz, der eine weiterführende Reaktion in Gang setzt.
Eine andere Variante sieht so aus: „Mit einem Lichtpuls im Infrarotbereich wollen wir selektiv bestimmte Teile des Moleküls in Schwingung versetzen“, erklärt Nürnberger. Weil der nächste Laserpuls wiederum nur wenige Femtosekunden später folgt, hat das Molekül keine Chance, diese Energie vorher abzugeben. „Solche Versuche können nützlich sein, wenn man wissen will, nach welchem Mechanismus ein bestimmtes Zwischenprodukt überhaupt entsteht“, sagt der Physiker. Auch hoffen die Wissenschaftler, auf diese Weise irgendwann einmal den Ablauf der Reaktion gezielt beeinflussen und so mit Licht kontrollieren zu können.

Grundlagenforschung zwischen Physik und Chemie

Die Forschung auf diesem Gebiet steht noch ziemlich am Anfang; vor rund 15 Jahren gab es die ersten Experimente zur sogenannten „Quantenkontrolle“. Grundlagenforschung sei seine Arbeit, sagt Nürnberger – auch wenn natürlich immer der Hintergedanke eine Rolle spielt, dass die Erkenntnisse dieser Untersuchungen von Nutzen sein können, wenn es darum geht, Moleküle zu finden, die bestimmte Eigenschaften besitzen. „Natürlich hoffen wir auch, dass es uns gelingt, durch die richtige Kombination von Laserpulsen die chemische Reaktion in eine gewünschte Richtung zu lenken“, sagt er.

Patrick Nürnberger hat Physik studiert, forscht jetzt am Institut für Physikalische und Theoretische Chemie und ist Mitglied der Fakultät für Chemie und Pharmazie. Ihm gefällt es, an der Schnittstelle dieser beiden Wissenschaften zu arbeiten – mit Methoden aus der Physik chemische Prozesse zu untersuchen.
Zur Person

Patrick Nürnberger wurde 1978 in Hof geboren; 1999 hat er in Würzburg das Physikstudium begonnen. Noch bevor er das Diplom in der Tasche hatte, ist er an die State University of New York at Stony Brook gegangen, um dort einen Master zu machen. Seine Suche nach einem Thema brachte ihn in Kontakt mit einem jungen Professor, der ebenfalls neu an der State University war. Dieser bot ihm an, gemeinsam mit ihm seinen Laser aufzubauen. Er überzeugte Nürnberger, indem er erklärte, der Nachteil an dieser Arbeit sei: „Du fängst bei null an.“ Und der Vorteil: „Du fängst bei null an“. „Wir haben also die Komponenten gekauft und den Laser selbst aufgebaut. Danach hatte ich die Technik der Laserspektroskopie von Grund auf verstanden und bin dann voller Begeisterung bei dem Thema geblieben“, erinnert sich Nürnberger.

Zurück aus Stony Brook legte er im Jahr 2004 in Würzburg sein Diplom ab; 2007 promovierte er mit einer Arbeit auf dem Gebiet der adaptiven Quantenkontrolle von Molekülen. Von 2008 bis 2010 forschte er als Stipendiat der Leopoldina am Laboratoire d'Optique et Biosciences der Ecole Polytechnique in Paris. Dort untersuchte er die primären Reaktionsschritte unmittelbar nach der Photolyse von angelagerten Gasmolekülen in sogenannten Hämproteinen, zu denen auch der Blutfarbstoff Hämoglobin gehört.

Das Emmy-Noether-Programm

Seit dem vergangenen Jahr baut Nürnberger an der Universität Würzburg seine eigene Nachwuchsgruppe auf. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt ihn dabei im Rahmen des Emmy-Noether-Programms in den kommenden fünf Jahren mit rund 1,2 Millionen Euro. Das Programm soll „jungen Nachwuchswissenschaftlern einen Weg zu früher wissenschaftlicher Selbständigkeit eröffnen“; durch die Leitung einer eigenen Nachwuchsgruppe sollen promovierte Forscher „die Befähigung zum Hochschullehrer erwerben“, wie es in der Beschreibung der DFG heißt.

Dass Patrick Nürnberger sich für die Universität Würzburg entschieden hat, kommt nicht von ungefähr. „Das Institut für Physikalische und Theoretische Chemie ist hervorragend mit den Apparaten ausgestattet, die ich für meine Arbeit benötige“, sagt er. Ein gewichtiges Argument; immerhin kann der Laser, den er bei seinen Untersuchungen einsetzt, gut und gerne eine halbe Million Euro kosten. Die Apparate allein machen es jedoch nicht aus. Auch das Umfeld stimme in Würzburg: „Als Nachwuchswissenschaftler ist man hier sehr gut integriert“.

Kontakt

Dr. Patrick Nürnberger, T: (0931) 31-86336,
E-Mail: nuernberger@phys-chemie.uni-wuerzburg.de

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