Molekül-Schere funktioniert auch in abgespeckter Form

Das Enzym „RNase P“ schneidet ein zentrales Molekül der zellulären Eiweißsynthese, nämlich Transfer-RNA. RNase P besteht bei den meisten Bakterien aus zwei verschiedenartigen Molekültypen.

„Das eigentliche Enzym ist eine Nukleinsäure (RNA), die zusätzlich von einem Protein unterstützt wird“, erläutert Studienleiter Roland Hartmann, der Pharmazeutische Chemie an der Philipps-Universität lehrt. Dieses Enzym sei jedoch bei Aquifex aeolicus verloren gegangen; „das blieb lange rätselhaft, denn es übt eine lebensnotwendige Funktion aus.“

Hartmann und sein Team fanden außerdem heraus, dass beide Versionen der Molekül-Schere – mit oder ohne RNA – nebeneinander in ein und derselben Zelle vorkommen können, jedoch fast ausschließlich bei Vertretern der Archaea; dabei handelt es sich um die dritte große Gruppe von Lebewesen neben Bakterien und Eukaryoten, den Organismen mit echtem Zellkern.

„Offenbar besitzen die beiden Enzymtypen bei den Archaea sich ergänzende Funktionen“, schlussfolgert Hartmann. „Der Ahne des Bakteriums Aquifex hingegen hat das Gen für das RNA-freie Enzym wohl irgendwann in der Evolution von einem Archaeon erhalten. Es wurde dann wahrscheinlich für die Funktion als alleinige RNase P optimiert.“

Das Team entdeckte auch einige wenige Bakterien, die ebenfalls beide Versionen des Enzyms besitzen. „Diese könnten evolutionäre Übergangszustände repräsentieren, bei denen das neue Enzym im Begriff ist, das alte zu verdrängen“, legt Hartmann dar.

Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler feststellten, ist das Minimalenzym in der Lage, die übliche RNA-haltige Form zu ersetzen: Sowohl das Darmbakterium Escherichia coli, das liebste Modellsystem der Lebenswissenschaften, als auch die Bierhefe Saccharomyces cervesiae wachsen auch ohne ihre herkömmliche RNase P, sofern man die neuentdeckte Form des Enzyms in sie einschleust.

Originalveröffentlichung: Astrid Nickel & al.: Minimal and RNA-free RNase P in Aquifex aeolicus, PNAS 2017, DOI: http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1707862114

Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Roland K. Hartmann,
Institut für Pharmazeutische Chemie
Tel.: 06421 28 25827, -25553 (Sekretariat)
E-Mail: roland.hartmann@staff.uni-marburg.de

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