Möglicher Ansatz zur Bekämpfung der Schlafkrankheit entdeckt

Wie Trypanosomen auf das Fehlen des Enzyms TbCls reagieren: Auf den farbigen Bildern links ist ihr Zellinneres zu sehen. Die Mitochondrien (rot) und der Zellkern (blau) sind am ersten Tag noch gut sichtbar (oben). Nach einem Tag (Bild unten) sind sie zerfallen und kaum noch zu erkennen – der Einzeller stirbt ab. Bilder: Institut für Biochemie und Molekulare Medizin<br>

Sie peinigt Hunderttausende von Menschen im tropischen Afrika und endet tödlich, wenn sie nicht behandelt wird: Die Afrikanische Schlafkrankheit. Verursacht wird sie durch Parasiten, die durch den Stich infizierter Tsetsefliegen übertragen werden.

Gegen diese schwerwiegende Erkrankung des Lymph- und Nervensystems gibt es bislang keine Impfung. Die wenigen Medikamente, die verfügbar sind, sind veraltet und weisen erhebliche Nebenwirkungen auf – zudem sind immer mehr Parasitenpopulationen dagegen resistent.

Am Institut für Biochemie und Molekulare Medizin der Universität Bern wird seit Jahren nach Wegen gesucht, den Stoffwechsel der Erreger der Schlafkrankheit zu verstehen, um diesen für mögliche Therapien zu nutzen. Nun entdeckten zwei Berner Forscher, dass der Parasit, ein Einzeller namens Trypanosoma brucei, über sein «Zell-Energiekraftwerk», das Mitochondrium, angreifbar ist. Der dabei entdeckte Stoffwechselmechanismus könnte als Grundlage für neue Medikamente dienen. Die Ergebnisse wurden nun in den «Proceedings of the National Academy of Sciences» publiziert.

Die Energiezufuhr unterbrechen

Die Biochemiker Mauro Serricchio und Prof. Peter Bütikofer untersuchten die Membranen von Trypanosomen und speziell einen Bestandteil daraus, das Cardiolipin. Dieser Stoff ist für die Struktur und das Funktionieren des Mitochondriums essenziell. Wird die Produktion von Cardiolipin blockiert, zerfällt das Mitochondrium, worauf die Zelle nicht mehr mit Energie versorgt wird und abstirbt – und somit auch der einzellige Parasit.

Einsatz auch bei Malaria und anderen Krankheiten denkbar

Dieser Schritt ist von besonderer Bedeutung: Denn das Cardiolipin ist ein Zellbestandteil, der in allen Phasen des Lebenszyklus von Trypanosomen benötigt wird. Dies obwohl die Parasiten je nach Wirt ihr Mitochondrium anders einsetzen, um Energie zu gewinnen. Wegen dieses ausgeklügelten Überlebens-Systems braucht es ein Mittel, das in Trypanosomen-Mitochondrien wirkt – egal, in welchem Wirt sich der Parasit gerade befindet. Der Schlüssel dazu ist ein Enzym, das für die Produktion von Cardiolipin in Trypanosomen zuständig ist. Dieses Enzym (TbCls) kann unterdrückt werden – worauf die ganze Zelle und somit der Erreger abstirbt.

«TbCls ist somit ein möglicher Ansatzpunkt für die Entwicklung von neuen Medikamenten gegen die Schlafkrankheit», sagt Prof. Peter Bütikofer. Nicht nur beim Menschen, sondern auch bei der tödlich verlaufenden Tierkrankheit Nagana, die ebenfalls durch Trypanosomen verursacht wird. «Da das Enzym TbCls auch in Mitochondrien anderer Einzeller vorhanden ist, die schwerwiegende Krankheiten auslösen können – wie Malaria, Leishmaniose oder Toxoplasmose – könnte der von uns entdeckte Mechanismus auch bei der Bekämpfung dieser Krankheiten nützlich sein», so Bütikofer.

Bibliographische Angaben:
Mauro Serricchio and Peter Bütikofer: An essential bacterial-type cardiolipin synthase mediates cardiolipin formation in eukaryote, PNAS Early Edition, 29. März 2012, doi:10.1073/pnas.1121528109

Media Contact

Nathalie Matter Universität Bern

Weitere Informationen:

http://www.unibe.ch

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer