Modulare virusartige Partikel als Impfstoffplattform?

Die Kombination von Antigen und Adjuvans in virusartigen Partikeln (unten) führt zu stärkeren Immunreaktion als bei getrennter Präsentation. Dies könnte für Impfstoffe genutzt werden. Quelle: PEI

Sogenannte modulare Impfstoffe, bei denen das Antigen – der Erregerbestandteil, gegen den der Immunschutz aufgebaut werden soll – mit dem Adjuvans (Wirkverstärker) physisch verbunden (konjugiert) sind, lösen eine deutlich stärkere Immunantwort aus als Impfstoffe, bei denen die Komponenten getrennt vorliegen. Modulare Impfstoffe sind also besonders immunogen. Dies liegt vermutlich daran, dass es besser ist, die beiden Komponenten gleichzeitig antigenpräsentierenden Zellen zuzuführen.

Lassen sich durch eine solche modulare Konstruktion auch Impfstoffe, die auf virusartigen Partikeln (VLPs, Virus-Like Particles) basieren, in ihrer Wirksamkeit verstärken? Forscher um Priv.-Doz. Dr. Zoe Waibler, Leiterin des Fachgebiets `Produktprüfung immunologischer Arzneimittel´ der Abteilung Immunologie des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), sind in Zusammenarbeit mit Forschern der Forschungsgruppe `Molekulare Allergologie´ und des Fachgebiets `Produktprüfung immunologischer Arzneimittel´, ebenfalls PEI, dieser Frage nachgegangen.

Auf Viruspartikeln basierende Impfstoffe sind deshalb interessant, weil das Immunsystem auf Viruspartikel im Rahmen der normalen Infektionsabwehr direkt anspringt. VLPs stellen bereits die Basis der in Europa zugelassenen Impfstoffe gegen humane Papillomaviren dar.

Die VLPs enthalten keine Nukleinsäuren und können sich nicht in den Zielzellen vermehren. Bestimmte VLPs sind auch deshalb eine attraktive Plattform für die Impfstoffentwicklung, weil sich aus ihnen leicht durch Tausch des Antigens neue Impfstoffe machen lassen. Zudem können auf ihrer Oberfläche leicht Antigen und Adjuvans gemeinsam dem Immunsystem präsentiert werden.

Als Modell-Antigen nutzten die PEI-Forscher Hühnereiweiß (Ovalbumin), als Adjuvans GM-CSF (granulocyte macrophage-colony stimulating factor, Granulozyten-Monozyten-Kolonie-stimulierender Faktor). Der Rezeptor für dieses Zytokin findet sich auf verschiedenen Immunzellen, die das Antigen weiteren Immunzellen präsentieren und so eine Immunantwort auslösen.

Über verschiedene experimentelle Ansätze wiesen die Forscher nach, dass diese modularen VLPs wichtige Immunzellen (T-Helferzellen und zytotoxische T-Zellen) aktivieren. Und tatsächlich fiel diese Stimulation deutlich stärker aus, wenn auf diesen VLPs sowohl Adjuvans als auch Antigen gemeinsam präsentiert wurden.

In den nächsten Schritten werden die PEI-Forscher die in Zellkulturen beobachteten Effekte im Tiermodell überprüfen und untersuchen, ob sich mit den so generierten VLPs ein Schutz vor definierten Erregern herstellen lässt.

Originalpublikation:
DOI: https://doi.org/10.1016/j.molimm.2018.05.017

Gogesch P, Schülke S, Scheurer S, Mühlebach MD, Waibler Z (2018):
Modular MLV-VLPs co-displaying ovalbumin peptides and GM-CSF effectively induce expansion of CD11b+ APC and antigen-specific T cell responses in vitro.
Mol Immunol May 28 [epub ahead of print]

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Die staatliche Chargenprüfung, wissenschaftliche Beratung/Scientific Advice und Inspektionen gehören zu den weiteren Aufgaben des Instituts. Unverzichtbare Basis für die vielseitigen Aufgaben ist die eigene experimentelle Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin und der Lebenswissenschaften.

Das Paul-Ehrlich-Institut mit seinen rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nimmt zudem Beratungsfunktionen im nationalen (Bundesregierung, Länder) und inter­nationalen Umfeld (Weltgesundheitsorganisation, Europäische Arzneimittel­behörde, Europäische Kommission, Europarat und andere) wahr.

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0161589018301640 – Volltext mit Link zur pdf-Version (gültig bis 17 Juli)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29852456 – Abstract der Publikation
https://www.pei.de/DE/infos/presse/pressemitteilungen/2018/09-modulare-virusarti… – diese Pressemitteilung auf den Seiten des Paul-Ehrlich-Instituts

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Dr. Susanne Stöcker idw - Informationsdienst Wissenschaft

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