Mikrobielle Lebensgemeinschaft in der Pflanzenwurzel

Mikroskop-Aufnahme einer Wurzel der Ackerschmalwand mit eingedrungenen Bakterien (grün). © MPI f. Pflanzenzüchtungsforschung <br>

Der Erdboden ist das artenreichste mikrobielle Ökosystem der Welt. Aus dieser unglaublichen Vielfalt an Mikroorganismen wählen Pflanzen gewisse Arten gezielt aus, gewähren ihnen Zutritt zur Wurzel und beherbergen damit eine einzigartige, sorgfältig verlesene Lebensgemeinschaft, von der sie dann auf unterschiedliche Weise profitieren.

Das pflanzliche Immunsystem muss dabei unterscheiden können, welche Bakterien ihnen Freund und welche ihnen Feind sind. Forscher vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen haben jetzt herausgefunden, dass die Modellpflanze Arabidopsis bevorzugt drei Abteilungen von Bakterien in ihre Wurzeln aufnimmt: Actinobakterien, Proteobakterien und Bacteroidetes. Diese mikrobielle Lebensgemeinschaft hängt von Bodentyp und Genotyp der Pflanze ab.

Die Wissenschaftler haben mit ihrer Untersuchung Neuland in den Pflanzenwissenschaften betreten. Die Bedeutung mikrobieller Lebensgemeinschaften wird erst seit einigen Jahren systematisch erforscht. Auch der Mensch trägt mehr Mikroorganismen in sich als Zellen, so dass man eigentlich jedes Lebewesen als Metaorganismus betrachten muss. Schulze-Lefert und seine Kollegen haben jetzt einen ersten groben Zensus für die Arabidopsis-Wurzel vorgelegt und 43 Abteilungen von Bakterien in unterschiedlicher Menge nachgewiesen. Demzufolge wählt Arabidopsis seine Wurzelbewohner sehr gezielt aus der vorhandenen Fülle an Mikroorganismen im Erdreich aus.

Schulze-Lefert und seine Kollegen haben für ihren Zensus drei Lebensräume untersucht: das Wurzelgewebe mit den dort ansässigen Bakterien, die unmittelbar an die Wurzel angrenzende Rhizosphäre und das nicht bepflanzte Erdreich in der Umgebung der Testpflanzen. „In den Wurzeln kommen vor allem drei große Abteilungen von Bakterien vor“, sagt Schulze-Lefert. „Das sind Proteobakterien, Bakteroideten und Actinobakterien und jeder dieser Abteilungen ist dort mit einer dominierenden Klasse oder Familie vertreten. Auch die Art des Erdreichs und der Genotyp der jeweiligen Arabidopsis Pflanze haben offensichtlich einen Einfluss darauf, welche Bakterien in die Wurzeln aufgenommen werden.“

Die Forscher haben die Testpflanzen entweder in dem lehm- und schlickhaltigem Erdreich der Kölner Bucht angezogen oder in dem sandigen Boden aus der brandenburgischen Fluss- und Seenlandschaft bei Golm. Außerdem haben sie zwei verschiedene Ökotypen von Arabidopsis untersucht, die jeweils an einen ganz bestimmten Standort angepasst sind. Dass es eine selektive Anreicherung der Bakterien in der Wurzel geben muss, zeigt auch die Tatsache, dass es Unterschiede in der jeweiligen Mikrobengemeinschaft zwischen den beiden Ökotypen gibt. „Eine der Bakterienarten kommt in einem der Ökotypen zehnmal häufiger vor als im anderen“, sagt Schulze-Lefert.

„Wir haben uns natürlich auch gefragt, ob sich die bakterielle Lebensgemeinschaft nur zufällig in der Wurzel zusammengefunden hat oder ob es tatsächlich ein Anreicherungssystem über molekulare Eintrittskarten gibt, wie wir vermuten“, kommentiert Schulze-Lefert die Ergebnisse. Die Wissenschaftler haben deshalb die Verteilungsmuster der Bakterien untersucht, also welche Arten nur auf totem organischem Material zu finden sind, welche sich vornehmlich in den Wurzeln aufhalten und welche sowohl auf totem Material als auch in der Wurzel zu finden sind.

Die Bakterien, die sich nur auf totem Material ansiedeln müssen von den Pflanzen gezielt auf Distanz gehalten werden. Von den drei großen Bakteriengruppen dominieren in der lebenden Wurzel vor allem die Actinobakterien. „Es muss also eine molekulare Einladung für diese Gruppe geben“, sagt Schulze-Lefert „Wie sie aussieht, wissen wir nicht, nur dass die Ergebnisse nicht anders zu erklären sind. Die wichtige Frage, die sich daran anschließt ist, wie die nützlichen Bakterien vom pflanzlichen Immunsystem toleriert werden. Also wie unterscheidet Arabidopsis zwischen Freund und Feind?“ Pflanzen sind bei der Abwehr phytopathogener Bakterien normalerweise nicht zimperlich. Schädlinge werden schnell an ihren charakteristischen Mustern erkannt und mit der vollen Wucht des angeborenen Immunsystems attackiert.

Interessant ist auch die Gruppe von Bakterien, die sowohl auf dem toten Material als auch in den Wurzeln zu finden sind. Diese Gruppe macht immerhin mehr als 40 Prozent der Bakteriengesellschaft in der Wurzel aus. Die Kölner Wissenschaftler nehmen an, dass sich diese Bakterien vor allem auf bestimmte Anteile der pflanzlichen Zellwand spezialisiert haben, die bei lebendem und totem Material gleich sind und von diesen Bestandteilen angezogen werden. Eine ähnliche selektive Anreicherung bestimmter Bakterien in der Wurzel zeigt sich auch, wenn man Arabidopsis-Pflanzen aus der freien Natur mit denen aus dem Gewächshaus vergleicht.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Paul Schulze-Lefert
Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung
Telefon: +49 221 5062-350
Fax: +49 221 5062-353
Email: schlef@­mpipz.mpg.de
Christiane Wojtera
Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung
Telefon: +49 221 5062-101
Fax: +49 221 5062-113
Email: wojtera@­mpipz.mpg.de
Originalveröffentlichung
Davide Bulgarelli, Matthias Rott, Klaus Schlaeppi, Emiel Ver Loren van Themaat, Nahal Ahmadinejad, Federica Assenza, Philipp Rauf, Bruno Huettel, Richard Reinhardt, Elmon Schmelzer, Joerg Peplies, Frank Oliver Gloeckner, Rudolf Amann, Thilo Eickhorst & Paul Schulze-Lefert
Revealing structure and assembly cues for Arabidopsis root-inhabiting bacterial microbiota.

Nature, 2. August 2012, doi: 10.1038/nature11336

Media Contact

Prof. Dr. Paul Schulze-Lefert Max-Planck-Institut

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Der Klang der idealen Beschichtung

Fraunhofer IWS transferiert mit »LAwave« lasergestützte Schallanalyse von Oberflächen in industrielle Praxis. Schallwellen können auf Oberflächen Eigenschaften verraten. Parameter wie Beschichtungsqualität oder Oberflächengüte von Bauteilen lassen sich mit Laser und…

Individuelle Silizium-Chips

… aus Sachsen zur Materialcharakterisierung für gedruckte Elektronik. Substrate für organische Feldeffekttransistoren (OFET) zur Entwicklung von High-Tech-Materialien. Wie leistungsfähig sind neue Materialien? Führt eine Änderung der Eigenschaften zu einer besseren…

Zusätzliche Belastung bei Knochenmarkkrebs

Wie sich Übergewicht und Bewegung auf die Knochengesundheit beim Multiplen Myelom auswirken. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ein Forschungsprojekt der Universitätsmedizin Würzburg zur Auswirkung von Fettleibigkeit und mechanischer Belastung auf…

Partner & Förderer