Mikrobe des Jahres 2015: Rhizobium – Kein Gemüse ohne Bakterien

Wurzelknöllchen am Rotklee © Harald Engelhardt, Martinsried

Impfung für Saatgut

Schon vor über 100 Jahren hatte man erkannt, dass bestimmte Pflanzen, die Hülsenfrüchtler, in Erde reich an Rhizobien gut wachsen. Heutzutage wäre die weltweite Produktion von über 250 Millionen Tonnen Soja im Wert von 50 Milliarden US-Dollar nicht denkbar ohne Knöllchenbakterien:

Schon das Saatgut wird mit dem verwandten Bakterium Bradyrhizobium beimpft, um das Wachstum der Soja-Pflanzen sicherzustellen. Die Pflanze sendet chemische Signale aus; daraufhin dringen die Bakterien in die Wurzelhärchen ein, und es entstehen in wenigen Wochen bakteriengefüllte Knöllchen.

Knöllchen bilden Blutfarbstoff

In diesen Knöllchen bilden die Pflanzen einen roten Farbstoff (Leghämoglobin), nah verwandt mit dem menschlichen Blutfarbstoff Hämoglobin. Er sorgt – wie in unserem Blut – dafür, dass Sauerstoff gebunden werden kann. Das ist notwendig, um eine Sauerstoff-arme Umgebung herzustellen. Nur dann funktioniert die spezielle Enzym-Maschinerie der Bakterien – und die kann etwas, was die Pflanze nicht kann: Sie wandelt den Stickstoff (N2) aus der Luft um in Ammonium (NH4+).

Ammonium benötigen Pflanzen wie alle Lebewesen, um Proteine und Bausteine für ihr Erbgut herzustellen. Alle Hülsenfrüchtler – zu denen außer Bohne, Erbse, Kichererbse und Erdnuss noch rund 18.000 Arten zählen – können so dank Rhizobium und verwandter Bakterien auf stickstoffarmen Böden wachsen.

Pflanze und Bakterium: eine win-win-Situation

Vor schätzungsweise 100 Millionen Jahren entwickelte sich diese faszinierende Zusammenarbeit zwischen Pflanzen und Bakterien. Normalerweise versuchen Pflanzen, das Eindringen von Bakterien zu verhindern. Doch hier entstand ein komplexes Kommunikationssystem, mit dem sich Pflanzen und Bakterien so verständigen, dass ein Zusammenleben zum beiderseitigen Nutzen gelingt:

Die Bakterien können sich geschützt vermehren und mit Nährstoffen über die Pflanze versorgen lassen; die Pflanze kann karge Böden besiedeln. Diese Zusammenarbeit ist von hoher ökologischer und wirtschaftlicher Bedeutung, sichert sie doch die pflanzliche Vielfalt vom Hasenklee bis zu Bäumen wie Akazie, Johannisbrot und Palisander, aber auch unsere Ernährung mit Gemüse sowie die Futtermittelproduktion.

Ersatz für Kunstdünger

Seit die Menschen intensiv Ackerbau betreiben, haben sie gelernt, durch Fruchtfolgen die Ertragsfähigkeit von Böden zu erhalten. Hülsenfrüchtler wie Rotklee, Lupine und Ackerbohne sind als Gründüngung die Grundlage für eine hohe Bodenqualität – weil Rhizobien die Stickstoffbindung sicherstellen. Nach Schätzungen binden Bakterien jährlich 170 Millionen Tonnen Stickstoff im Boden und in Pflanzen, davon etwa ein Viertel auf Agrarflächen. Anders als künstlicher Dünger belastet dies nicht die Gewässer mit Nitrat (NO3-Verbindungen).

Forscher suchen daher intensiv nach einem Weg, die Zusammenarbeit zwischen Rhizobien und Hülsenfrüchtlern auf Getreidesorten zu übertragen. Dazu müssen diese für die Welternährung so wichtigen Pflanzen jedoch die „Sprache“ lernen, um mit stickstoffversorgenden Bakterien kommunizieren und Wurzelknöllchen bilden zu können.
Anja Störiko

Die Mikrobe des Jahres wurde 2014 erstmals benannt. Mikrobiologen der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) wählen sie aus, um auf die Vielfalt der mikrobiologischen Welt hinzuweisen. Während in der Bevölkerung Mikroorganismen vor allem als Krankheitsauslöser bekannt sind, spielen Mikroorganismen eine weit bedeutsamere Rolle für die Ökologie, Gesundheit, Ernährung und Wirtschaft, worauf die die Mikrobe des Jahres hinweisen soll.

Wer findet die Mikrobe des Jahres 2015? heißt der von der VAAM ausgerufene Wettbewerb für Schüler/innen und Studierende. Wer Fotos, Videos oder andere kreative Gestaltungen zu Rhizobium bis 15. Oktober 2015 einreicht, kann wertvolle Preise gewinnen. Weitere Informationen ab Ende Februar unter http://www.mikrobe-des-jahres.de.

Die VAAM ist Gründungsmitglied im VBIO und vertritt rund 3500 mikrobiologisch orientierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Forschung und Industrie. Die Bandbreite der Forschung reicht von Bakterien, Archaeen und Pilzen in allen Ökosystemen und in Lebensmitteln über Krankheitserreger bis hin zu Genomanalysen und industrieller Nutzung von Mikroorganismen und ihren Enzymen.

Informationen, Experten-Kontakte, Bildmaterial:
Dr. Anja Störiko |Tel. 06192 23605 | info@mikrobe-des-jahres.de
www.mikrobe-des-jahres.de

http://www.mikrobe-des-jahres.de/

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Dr. Kerstin Elbing idw - Informationsdienst Wissenschaft

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