Männliche Mehlkäfer übertragen Immunantwort an ihre Nachkommen

Diese Entdeckung hat ein Forscherteam aus Münster und Zürich gemacht, das die Einflüsse von krank machenden Bakterien auf Käfer und deren Nachkommen untersucht hat. Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass diese Art der Informationsübertragung, die auf bislang unbekannten molekularen Mechanismen beruht, nur über die mütterliche Linie möglich ist.

Die Weitergabe von genetischer Information von Generation zu Generation ist die Voraussetzung für Evolution. Allerdings beobachtet man bei Tieren, die von Krankheitserregern befallen sind, auch eine Weitergabe von nicht genetischer Information, die das Immunsystem der nachfolgenden Generation „fit“ macht gegenüber diesen Erregern.

„Der Transfer von Immunität auf die Nachkommen war bislang hauptsächlich bei Wirbeltieren, nämlich Säugetieren, Fischen und Vögeln bekannt“, sagt Olivia Roth, die die Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit am Institut für Evolution und Biodiversität der Universität Münster und an der ETH Zürich durchgeführt hat. „Während Fische und Vögel Antikörper direkt in die Eier deponieren, übertragen Säuger diese wichtigen Immunstoffe über die Plazenta und nach der Geburt über die Muttermilch an ihre Nachkommen.“

Kürzlich wurde gezeigt, dass auch bei Insekten Immunstoffe von der Mutter direkt über das Ei an die nächste Generation weitergegeben werden können. „Die Mechanismen dieser Übertragung sind jedoch noch unbekannt“, so Roth. „Klar ist nur, dass sie nicht auf Antikörpern beruhen können, da den Wirbellosen im Gegensatz zu den Wirbeltieren die Antikörperproduktion fehlt.“

Bei der Fortpflanzung tragen die Mütter die Hauptlast, da die Produktion von Eiern wesentlich mehr Energie erfordert als die Produktion von Spermien. „Daher ging man bislang davon aus, dass sich der Aufwand, in die Immunantwort der Nachkommen zu investieren, nur für die Weibchen lohnt, während die Männchen dazu wohl keinen Beitrag leisten“, so Roth. Das Forscherteam konnte nun erstmals zeigen, dass Käfer auch dann widerstandsfähiger gegen Bakterien sind, wenn das Immunsystem ihrer Väter durch eine Konfrontation mit diesen Bakterien stimuliert wurde.

„Dieses väterliche „Immune Priming“ bedeutet, dass die optimale Anpassung des Nachwuchses an die Umwelt dank gemeinsamer Investitionen von Mutter und Vater zustande kommt, zumindest in Hinblick auf die Immunantwort“, sagt Roth. „Gerade wenn Mutter und Vater in ihrem Leben unterschiedlichen Parasiten oder Krankheitserregern ausgesetzt waren, kann dieser Mechanismus das Leben eines Individuums enorm verlängern und damit die Fitness und Reproduktionsrate erhöhen, so dass sich die hohe Investition in sexuelle Reproduktion auszahlt. Dies könnte eine mögliche alternative Erklärung dafür sein, warum es sexuelle Fortpflanzung überhaupt gibt.“

Zudem, so Roth, könnte väterliches „Immune Priming“ die Partnerwahl beeinflussen. Weibchen könnten in bestimmten Situationen Partner wählen, die gewisse Infektionen überlebt haben und ihrem Nachwuchs einen Vorteil im Wechselspiel mit diesen Erregern verschaffen.

„Auf welchen molekularen Mechanismen diese Übertragung der Immunantwort von Vater zu Nachwuchs beruht, wird die Zukunft zeigen“, sagt Roth. Während die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Joachim Kurtz in Münster dieser Frage beim Mehlkäfer weiter nachgeht, untersucht Olivia Roth nun in Kiel am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, ob auch bei Fischen die Väter in die Immunantwort ihrer Nachkommen investieren.

Literatur: Roth O. et al. (2009): Paternally derived immune priming for offspring in the red flour beetle, Tribolium castaneum; Journal of Animal Ecology, published online before print / doi: 10.1111/j.1365-2656.2009.01617.x

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Dr. Christina Heimken idw

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