Mit Licht geht alles leichter – Einblicke in die Steuerung von Bewegungsabläufen bei Wirbeltieren

Die Wissenschaftler setzten einen neu entwickelten künstlichen Rezeptor ein, um spezifische Nervenzellen beim Zebrafisch mit Hilfe von Lichtimpulsen zu stimulieren. Diese sogenannte Optogenetik basiert auf einer Kombination von zellspezifischer Genexpression und der Verwendung von Licht, um neuronale Aktivität hervorzurufen. (Nature, 17. September 2009)

Professor Dirk Trauner vom Department Chemie und Biochemie der LMU und Kollegen der University of California, Berkeley, haben einen Photorezeptor entwickelt, der es ermöglicht, die Aktivität von Neuronen mittels Licht zu kontrollieren. Der Rezeptor basiert auf einem ligandengesteuerten Ionenkanal, einem Protein, das bestimmte chemische Stoffe bindet und dabei Ionen durch die Zellmembran fließen lässt. Die Aktivität von Neuronen wird kontrolliert, indem ein Ligand über eine lichtempfindliche chemische Verbindung an den Rezeptor gekoppelt wird. Erst unter Lichteinwirkung dockt der Ligand an die korrekte Stelle am Rezeptor an und aktiviert ihn.

Mit gentechnischen Mitteln kann der so modifizierte Rezeptor, genannt LiGluR, in verschiedenen Typen von Nervenzellen dargestellt werden. Infolgedessen wird deren Aktivität durch Zuleitung von Licht gezielt reguliert. Diese Methode ermöglichte nun Forschern an der University of California, Berkeley und San Francisco, erstmals den Einfluss unterschiedlicher Nervenzelltypen auf das Verhalten von Zebrabärblingen zu untersuchen.

Dabei wiesen die Wissenschaftler den sogenannten Kolmer-Agduhr Neuronen eine bisher unbekannte Rolle bei der Regulierung des neuronalen Moduls zu, das das spontane Schwimmverhalten beim Zebrafisch steuert. Die Kolmer-Agduhr Zellen wurden vor 75 Jahren erstmals beschrieben, ihre biologische Funktion blieb jedoch bislang im Dunkeln. Die Zellen erregten die Aufmerksamkeit der Biologen, weil sie viele Cilien – winzige sensorische Organellen – tragen, die in unmittelbarem Kontakt mit der zerebrospinalen Flüssigkeit stehen. Sie wären somit in der Lage, auf chemische Signale im Spinalkanal zu reagieren. Die genetische Inaktivierung von Kolmer-Agduhr Zellen verminderte die Frequenz des spontanen Schwimmens. Dieser Befund deutet daraufhin, dass diese Zellen Signale erzeugen, die für das Verhalten notwendig sind. Die Kolmer-Agduhr Zellen sind eng verwandt mit Zellen, die in Säugetieren und anderen Wirbeltieren vorkommen.

„Unsere Untersuchungen dürften erhebliche Auswirkungen auf das Verständnis von Bewegungsabläufen bei Vertebraten, also Wirbeltieren, haben. Zudem liefern sie ein elegantes Beispiel für die Nützlichkeit chemischer Technologien in den Neurowissenschaften“, meint Professor Trauner. Seinen Ausführungen zufolge gab es bislang einige Zweifel im Hinblick darauf, ob LiGluR und ähnliche synthetische Systeme als optogenetische Werkzeuge mit natürlich vorkommenden lichtabhängigen Ionenkanälen konkurrenzfähig wären und ob sie ausreichende Akzeptanz unter Neurowissenschaftlern finden würden. „Hoffentlich können diese Zweifel jetzt ausgeräumt werden.“ (SA)

Publikation:
„Optogenetic dissection of a behavioural module in the vertebrate spinal cord“,
Claire Wyart, Filippo Del Bene, Erica Warp, Ethan K. Scott, Dirk Trauner, Herwig Baier und Ehud Y. Isacoff
Nature, 17. September 2009, S. 407-410
DOI: 10.1038/nature08323
Ansprechpartner:
Professor Dr. Dirk Trauner
Department für Chemie und Biochemie
Tel.: +49 (0) 89 / 2180 – 77800
Fax: +49 (0) 89 / 2180 – 77972
E-Mail: dirk.trauner@cup.uni-muenchen.de

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Luise Dirscherl idw

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