Langlebige Mäuse sind weniger aktiv

Mäuseweibchen mit höherer Lebenserwartung sind weniger aktiv und risikofreudig als ihre Artgenossinnen mit tieferer Lebenserwartung. UZH<br>

Sie essen auch weniger als ihre Geschlechtsgenossinnen mit geringerer Lebenserwartung. Verhaltensbiologen der Universität Zürich weisen nach, dass für weibliche Hausmäuse ein Zusammenhang zwischen Lebenserwartung und Persönlichkeit besteht und ein Mindestmass an Verwegenheit für ihr Überleben notwendig ist.

Risikoreiches Verhalten kann zum vorzeitigen Tod führen ­– das gilt für Menschen. Ob dies auch bei Tieren zutrifft, beobachteten Anna Lindholm und ihr Doktorand Yannick Auclair am Verhalten von 82 Hausmäusen. Sie erfassten das Risikoverhalten, den Aktivitätsgrad, Entdeckungsdrang sowie Energieverbrauch von weiblichen und männlichen Hausmäusen mit zwei unterschiedlichen Allel-Varianten auf Chromosom 17.

Sie testeten damit eine Aussage der «Life-History-Theorie», die sich damit befasst, wie Individuen optimal in Wachstum und Fortpflanzung investieren. Gemäss dieser in den 80-er Jahren entwickelten Theorie sollten Individuen mit hoher Lebenserwartung reaktive Persönlichkeitszüge aufweisen, also weniger aktiv und entdeckungsfreudig sein als Individuen mit geringerer Lebenserwartung.

Spiegelt sich die Persönlichkeit in der Lebenserwartung?
Von weiblichen Mäusen vom t-Haplotyp, einer der beiden Allel-Varianten auf Chromosom 17, ist bekannt, dass sie länger leben. Es handelt sich beim t-Haplotyp um ein so genanntes egoistisches genetisches Element, das von t-tragenden Männchen an neunzig Prozent der Nachkommen vererbt wird. Embryonen, die von beiden Eltern eine t-Kopie erben, sterben jedoch innerhalb der Tragzeit ab. Yannick Auclair wollte mit seinem Experiment herausfinden, ob zwischen diesem egoistischen genetischen Element und den Persönlichkeiten der Mäuse ein Zusammenhang besteht.
Live fast, die young – auch bei Mäusen
Die Forscher belegen, dass die langlebigeren weiblichen Mäuse vom t-Haplotyp weniger aktiv sind als ihre Geschlechtsgenossinnen ohne diesen Haplotyp. Diese Weibchen kommen mit weniger Nahrung aus, haben einen geringeren Entdeckungsdrang und weisen somit die von der «Life-History-Theorie» vorhergesagten reaktiven Persönlichkeitszüge auf. «Wir können erstmals einen Zusammenhang nachweisen, zwischen einem genetischen Element, das die Lebenserwartung beeinflusst, und der Persönlichkeit», sagt Auclair. Gemäss des Forscherteams leben weibliche Mäuse mit höherer Lebenserwartung nach dem Prinzip «leb langsam, stirb alt». Jene mit tieferer Lebenserwartung lassen sich mit dem Prinzip «leb schnell, stirb jung» charakterisieren.

Anders als von der «Life-History-Theorie» prognostiziert, finden sich unter den weiblichen t-Haplotyp-Mäusen allerdings keine extrem vorsichtigen Individuen. Die Forscher vermuten, dass bei Mäusen keine Selektion zugunsten von ausgesprochen vorsichtigen Mäusen stattfindet. «Um als Maus erfolgreich Nahrung finden und sich fortpflanzen zu können, braucht es offenbar ein Mindestmass an Kühnheit», erklärt Auclair, «eine grosse Variation kann sich in solch einer Situation nicht entwickeln».

Literatur:
Yannick Auclair, Barbara König, Anna K. Lindholm. A selfish genetic element influencing longevity correlates with reactive behavioural traits in female house mice. PLoS ONE. June 24, 2013. doi:10.1371/journal.pone.0067130.
Kontakt:
Prof. Dr. Barbara König
Yannick Auclair
Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 52 70
E-Mail: barbara.koenig@ieu.uzh.ch
E-Mail: yannick.auclair@ieu.uzh.ch

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Nathalie Huber Universität Zürich

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