Krebsmedikament bei der Arbeit beobachtet

Samir El-Mashtoly (links) und Klaus Gerwert entwickeln Verfahren, mit denen sich der Wirkmechanismus von Medikamenten ergründen lässt. © RUB, Kramer

Pharmakokinetik ist entscheidend

Neratinib, erhältlich unter dem Handelsnamen Nerlynx, ist seit 2017 für die Behandlung von Brustkrebs zugelassen und wird derzeit in klinischen Studien auch für die Lungenkrebstherapie getestet. Es bindet an bestimmte Proteine in der Zelle und hemmt so das Zellwachstum. „Um genau zu verstehen, wie ein Medikament wirkt, muss man seine Pharmakokinetik kennen, also wie der Körper die Substanz aufnimmt, verteilt und verstoffwechselt – und wie sie sich dabei chemisch verändert“, sagt Gerwert.

Wie der Stoffwechsel das Medikament verändert

Samir El-Mashtoly und Klaus Gerwert entwickelten in den vergangenen Jahren neue Raman-spektroskopische Methoden, um die Wirksamkeit und Verteilung von Medikamenten in Krebszellen zu beobachten.

In der aktuellen Studie verfolgten die Wissenschaftler, wie Neratinib in die Zellen aufgenommen wird und sich in den Zellorganellen anreichert. In der Zelle änderte sich dabei die Struktur der Wirkstoffmoleküle. „Interessanterweise nimmt ein Großteil der Moleküle eine Struktur an, die pharmakologisch nicht mehr wirksam ist“, beschreibt El-Mashtoly.

„Dieses Ergebnis kann helfen, Medikamente weiterzuentwickeln und die Krebstherapie zu verbessern“, ergänzt der Bochumer Forscher. „Die Studie zeigt das große Potenzial der Raman-Mikroskopie, um die Wirkmechanismen von Medikamenten zu ergründen. Die Pharmaindustrie hat bereits großes Interesse.“

Markerfreie Methode

Um zu untersuchen, wie sich ein Medikament in Zellen verteilt, werden die Moleküle üblicherweise mit fluoreszierenden Substanzen markiert. „Die Marker sind oft viel größer als das zu untersuchende Molekül und beeinflussen damit stark dessen Verhalten“, erklärt Klaus Gerwert. „Nur das markerfreie Verfahren erlaubt, den Wirkstoff direkt zu beobachten.“

Die Raman-Mikroskopie ist eine markerfreie Methode mit einer räumlichen Auflösung von rund 400 Nanometern. Das ermöglicht nicht nur, einzelne Krebszellen auseinanderzuhalten, sondern auch Zellorganellen sichtbar zu machen. Im Gegensatz zu konventionellen Methoden kann die Raman-Mikroskopie auch die chemischen Veränderungen der Medikamente detektieren, die entscheidend für die Wirksamkeit sind.

Ein Pharmaunternehmen ist bereits auf die Bochumer Arbeiten aufmerksam geworden und nutzt die Methode, um neue potenzielle Krebsmedikamente zu testen.

Förderung

Das Land Nordrhein-Westfalen förderte die Arbeiten im Rahmen des europäischen Proteinforschungsnetzwerks „Pure“.

Originalveröffentlichung

Karim Aljakouch, Tatjana Lechtonen, Hesham K. Yosef, Mohamad K. Hammoud, Wissam Alsaidi, Carsten Kötting, Carolin Mügge, Robert Kourist, Samir F. El-Mashtoly, Klaus Gerwert: Raman Micro-Spectroscopic Evidence for the Metabolism of a Tyrosine Kinase Inhibitor, Neratinib, in Cancer Cells, in: Angewandte Chemie, 2018, DOI: 10.1002/anie.201803394 (englische Version), 10.1002/ange.201803394 (deutsche Version)

Pressekontakt

Prof. Dr. Klaus Gerwert
Lehrstuhl Biophysik
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 24461
E-Mail: gerwert@bph.rub.de

Dr. Samir F. El-Mashtoly
Lehrstuhl Biophysik
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 25701
E-Mail: samir@bph.rub.de

Media Contact

Dr. Julia Weiler idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer