Körpereigener Schutzmechanismus gegen Atherosklerose entdeckt

Immunofluoreszenzfärbung von atherosklerotischen Plaques (rot) in der Aorta einer Maus, der das Gen für TACI in myeloiden Zellen fehlt (adaptiert von Tsiantoulas et al., Circulation 2018) Adaptiert von Tsiantoulas et al., Circulation 2018

Atherosklerose, die krankhafte Verengung von Blutgefäßen, ist die Hauptursache für Herzinfarkte und Schlaganfälle, welche von der WHO nach wie vor als die weltweit häufigsten Todesursachen geführt werden. In der Entwicklung von Atherosklerose spielen weiße Blutkörperchen, die sogenannten B2-Lymphozyten, eine entscheidende Rolle.

Sie benötigen ein Molekül, das Forschenden unter dem Akronym BAFF bekannt ist. Da ein Ausschalten des BAFF-Rezeptors auf der Oberfläche der B2-Lymphozyten der Entwicklung von Atherosklerose in Maus-Experimenten entgegenwirkt, lag die Vermutung nahe, dass ein ähnlicher Effekt eintritt, wenn BAFF direkt angegriffen wird.

Mit speziellen Antikörpern, die sich zielsicher an BAFF binden, kann das Molekül unschädlich gemacht werden. Diese Antikörper haben WissenschaftlerInnen des CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Medizinischen Universität Wien in Zusammenarbeit mit der University of Cambridge auf ihre Wirkung in der Entstehung von Atherosklerose in Mäusen getestet – mit überraschendem Ergebnis: Anstatt wie erwartet die Bildung der gefürchteten „Plaques“ in den Arterienwänden der Mäuse zu reduzieren, wurden diese Einlagerungen größer. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Circulation veröffentlicht. (DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.117.032790)

„Wir konnten eindeutig zeigen, dass die B2-Lymphozyten durch die Anti-BAFF-Antikörper nicht mehr überleben konnten und effizient eliminiert wurden“, beschreibt Letztautor Christoph Binder, Gruppenleiter am CeMM und Professor für Atheroskleroseforschung an der MedUni Wien, die Ergebnisse der Studie.

„Zu unserer Überraschung haben sich jedoch die Plaques dadurch sogar vergrößert, was auf eine bisher völlig unbekannte Rolle des BAFF-Moleküls hindeutete. In weiteren Experimenten gelang es uns dann, dieses Phänomen zu erklären“.

Die ForscherInnen fanden heraus, dass BAFF auch eine entzündungshemmende Wirkung hat, die sich positiv auf die Plaque-Bildung und das Atherosklerose-Risiko auswirkt. Bei diesem Mechanismus bindet BAFF an einen alternativen Rezeptor (TACI) auf anderen Immunzellen. Und es konnte gezeigt werden, dass BAFF in diesen Zellen einen entzündungshemmenden Prozess in Gang setzt.

Dieses Ergebnis könnte bedeutende Implikationen für die Atheroskleroseforschung und -vorbeugung haben: Es gibt zum Beispiel Menschen mit Mutationen in dem Gen für TACI und diese könnten ein erhöhtes Risiko für Atherosklerose und in Folge Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen.

Die Studie „BAFF Neutralization Aggravates Atherosclerosis“ erschien in der Zeitschrift Circulation am 5. Juni 2018. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.117.032790

Autoren: Dimitrios Tsiantoulas#, Andrew P. Sage#, Laura Göderle, Maria Ozsvar-Kozma, Deirdre Murphy, Florentina Porsch, Gerard Pasterkamp, Jörg Menche, Pascal Schneider, Ziad Mallat# und Christoph J. Binder#. (# Gleichwertiger Beitrag)

Förderung: Dieser Studie wurde von dem FWF der Wissenschaftsfonds, der Europäischen Union, der British Heart Foundation und dem Europäischen Forschungsrat ERC gefördert.

Christoph Binder erhielt seinen Doktor der Medizin 1997 an der Universität Wien, seinen PhD erlangte er 2002 in Molekularer Pathologie an der University of California San Diego (UCSD). Nach einem postdoktoralem Forschungsaufenthalt an der UCSD wechselte er an das Institut für Labormedizin der Medizinischen Universität Wien. 2006 startete er seine Forschungsgruppe mit Schwerpunkt „Immunity and Atherosclerosis“ am CeMM, 2009 erhielt er eine Professur für Atheroskleroseforschung an der Medizinischen Universität Wien.
http://cemm.at/research/groups/christoph-binder-group/

Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter der wissenschaftlichen Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Instituts befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien. www.cemm.at

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