Körpereigenen Notfallmechanismus für Blutbildung bei Infektionen entdeckt

Unter der Einwirkung des Signalstoff M-CSF (engl. Macrophage colony-stimulating factor) werden Stammzellen grün und entwickeln sich zu Makrophagen, Zellen des Immunsystems, die Erreger bekämpfen und zerstören.<br><br><br>(Videobild/ Copyright: Labor Michael Sieweke, CIML)<br>

Das Team von Dr. Michael Sieweke (Centre d`Immunologie de Marseille-Luminy, CIML, INSERM*, CNRS** und Max-Delbrück-Centrum, MDC) konnte zeigen, dass die blutbildenden Stammzellen, aus denen alle Blutzellen hervorgehen, sofort und direkt reagieren und Zellen produzieren, die vor Infektionen schützen (Nature doi: 10.1038/nature12026)***.

Die Entdeckung könnte künftig Patienten mit Knochenmarktransplantationen helfen, den Aufbau des Immunsystems zu beschleunigen.

Blutzellen haben nur eine bestimmte Lebensdauer, wobei die verschiedenen Blutzelltypen unterschiedlich lang leben. Der Körper muss deshalb immer wieder rechtzeitig für Nachschub sorgen. Dafür sind die blutbildenden (hämatopoetischen) Stammzellen zuständig. Aus ihnen gehen alle Blutzellen hervor, sowohl die weißen Blutzellen des Immunsystems, als auch die roten Blutzellen, die den Sauerstoffbedarf des Organismus sicherstellen. „Bisher hat die Forschung angenommen, dass der Blutbildungsprozess nach dem Zufallsprinzip erfolgt und die Stammzellen dabei kaum auf ihre Umgebung reagieren. Das scheint bei Notfallsituationen aber anders zu sein“, erläutert der Stammzellforscher und Immunologe Dr. Sieweke.

Bei Blutverlust benötigt der Körper rasch rote Blutzellen, bei einer Infektion oder Entzündung bestimmte weiße Immunzellen. Dr. Noushine Mossadegh-Keller und Dr. Sandrine Sarrazin aus der Forschungsgruppe von Dr. Michael Sieweke haben entdeckt, dass der Signalstoff M-CSF (engl. Macrophage colony-stimulating factor), der während einer Infektion oder Entzündung freigesetzt wird, direkt auf die Stammzellen einwirkt und dort den Hauptschalter (PU.1) für einen ganz bestimmten Entwicklungsweg spezieller Blutzellen anschaltet. Damit kann der Körper direkt auf einen akuten Bedarf reagieren und schneller genau die weißen Blutzellen produzieren, die vor Infektionen schützen.

„Da wir jetzt den Botenstoff kennen, der das Startsignal für die Bildung der weißen Blutzellen, sprich der Makrophagen, gibt, ist es in Zukunft vielleicht möglich, die Blutbildung und damit den Aufbau des Immunsystems künstlich zu beschleunigen, etwa bei Patienten, die eine Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation erhalten. Denn diese Patienten sind, solange ihr Immunsystem noch nicht wieder aufgebaut ist, besonders gefährdet, eine Infektion zu bekommen. Dabei können ansonsten eher harmlose Erreger tödlich sein“, erläuterte Dr. Sieweke.
Dr. Sieweke weist auf Angaben des Worldwide Network for Blood & Marrow Transplantation (WBMT), (Januar 2013) hin, wonach weltweit jedes Jahr 50 000 Patienten eine Knochenmarktransplantation erhalten. „Dank des Signalstoffs M-CSF könnte es möglich sein, sie vor Infektionen zu schützen, während sich ihr Immunsystem neu aufbaut. Besonders hoffnungsvoll stimmt uns, dass der entdeckte Mechanismus nur die Bildung der Immunzellen anregt, die vor Infektionen schützen, nicht aber derjenigen, die auch ungewollt den Körper des Patienten angreifen können“, sagte Dr. Sieweke.

* Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale (INSERM)
**Centre National de la Recherche Scientifique

*** M-CSF instructs myeloid lineage fate in single haematopoietic stem cells

Noushine Mossadegh-Keller1,2,3,*, Sandrine Sarrazin1,2,3,*,# , Prashanth K. Kandalla1,2,3, Leon Espinosa4, Richard E. Stanley5, Stephen L. Nutt6, Jordan Moore7, Michael H.Sieweke1,2,3,8,#
1 Centre d’Immunologie de Marseille-Luminy (CIML), Aix-Marseille Université, UM2, Campus de Luminy, Case 906, 13288 Marseille Cedex 09, France
2 Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale (INSERM), U1104, Marseille, France
3 Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS), UMR7280, Marseille, France
4 Laboratoire de Chimie Bactérienne, Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS), UMR 7283, 31 Chemin Joseph Aiguier, 13009 Marseille, France
5 Department of Developmental and Molecular Biology, Albert Einstein College of Medicine, Bronx, New York 10461, USA
6 Walter and Eliza Hall Institute, 1G Royal Parade, Parkville, Victoria 3052, Australia
7 Fluidigm Inc., San Francisco, CA, USA
8 Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), Robert-Rössle-Str. 10, 13125, Berlin, Germany

* equal contribution # Corresponding author

Kontakt:
Dr. Michael SIEWEKE
Centre d’Immunologie de Marseille-Luminy
Max Delbrück Center for Molecular Medicine (MDC) Berlin-Buch
Mobile : +33 (0)6 26 94 18 53
sieweke@ciml.univ-mrs.fr

und
presse@mdc-berlin.de
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presse@inserm.fr

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