Dem Körper in die Karten geschaut: Wie Zellorganellen gebaut werden

Peroxisomale Membranproteine (PMPs) vom Typ1 werden an freien Ribosomen in der Zellflüssigkeit hergestellt und nach ihrer Fertigstellung direkt in die peroxisomale Membran eingebaut. Im Gegensatz hierzu werden PMPs vom Typ2, zu denen nach den Erkenntnissen aus dieser Arbeit Pex3p und Pex22p gehören, zunächst zum Endoplasmatischen Retikulum und erst dann zu den Peroxisomen transportiert.<br>

Peroxisomen sind vielfältige Arbeitseinheiten in Zellen, die verschiedenste Aufgaben erfüllen. Der Ausfall dieser Zellorganellen führt beim Menschen zum Tod. Ihre Herstellung (Biogenese) folgt nicht den bekannten Regeln und ist noch weitgehend unverstanden.

Mit der Entdeckung eines neuen Transportwegs für Bausteine der Membran von Peroxisomen leistete die Forschergruppe von Prof. Dr. Ralf Erdmann und Dr. Hanspeter Rottensteiner (Abteilung Systembiochemie, Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität) jetzt einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Entstehung und Herkunft der Peroxisomen.

Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im renommierten „Journal of Biological Chemistry“.

Peroxisomen: Organellen mit vielfältigen Aufgaben

Peroxisomen sind Zellorganellen, die eine Vielzahl von Stoffwechselaufgaben in der Zelle übernehmen. Sie enthalten über 50 verschiedene funktionelle Eiweiße (Enzyme), deren Zusammensetzung sehr variabel den jeweiligen Bedürfnissen des Organismus angepasst werden kann. Ein wesentliches Charakteristikum von Peroxisomen ist die räumliche Abschottung (Kompartimentierung) von Stoffwechselwegen, bei denen das giftige Wasserstoffperoxid entsteht, dessen Beseitigung eine Hauptaufgabe der Peroxisomen ist.

Krankheiten durch Peroxisomendefekt sind meist tödlich

„Die Wichtigkeit dieser Organellen zeigt sich in den Krankheiten, die auf einem Defekt in einzelnen Enzymen oder einer Störung der Biogenese der Peroxisomen beruhen“, erklärt Prof. Erdmann. Krankheiten aufgrund einer Störung der Biogenese werden als Zellweger-Spektrum zusammengefasst. „Diese Krankheiten sind meist so schwer, dass die Patienten bereits im Säuglingsalter sterben.“ Für die Entwicklung von Ansätzen zur Diagnose und Therapie ist die Aufklärung der Biogenese dieser Organellen von entscheidender Bedeutung.

Membran-Aufbau auf Umwegen

Die RUB-Arbeitsgruppe untersucht unter anderem die Herkunft und Biogenese der Membran der Peroxisomen. „Um funktionelle Organellen herzustellen, muss zunächst die peroxisomale Proteinimportmaschinerie zusammengesetzt werden“, erläutert Prof. Erdmann. „Erst danach kann das Peroxisom die vielen nötigen Enzyme importieren.“ Für den Einbau der Membranproteine ist das Protein Pex3p ein entscheidender Faktor. Es dient als Andockstelle an der Membran, wo neu hergestellte Proteine zielgerichtet eingebaut werden. Wie Pex3p selbst in die Membran eingefügt wird, ist bis heute noch nicht ganz geklärt. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass Pex3p nach seiner Herstellung in der Zellflüssigkeit zunächst in die Membran des endoplasmatischen Retikulums (ER, eine andere Zellorganelle) eingebaut und anschließend auf bislang unbekannte Weise zu den Peroxisomen transportiert wird. „Dieser Weg unterscheidet sich deutlich von dem anderer peroxisomaler Membranproteine, welche direkt in bestehende Peroxisomen eingebaut werden und hierfür Pex3p benötigen“, so Prof. Erdmann.

Vermeintlich exklusiver Weg stellt sich als allgemein heraus

Bislang wurde angenommen, dass Pex3p das einzige peroxisomale Protein ist, welches über das endoplasmatische Retikulum zu den Peroxisomen gelangt. Dies konnten die RUB-Forscher jetzt widerlegen. Sie verglichen die Importwege von Pex3p und einem weiteren peroxisomalen Membranprotein, Pex22p, und konnten zeigen, dass ein kleiner Teil der Proteine jeweils ausreicht, um ein fluoreszierendes Reporterprotein zu Peroxisomen zu transportieren. Die Abschnitte des Proteins, die dazu dienen, ein bestimmtes Ziel anzusteuern, werden als Signalsequenzen bezeichnet. Die Ähnlichkeit dieser Signalsequenzen von Pex3p und Pex22p brachten die Forscher auf die Idee, die beiden Teile mittels molekularbiologischer Techniken untereinander auszutauschen und die Funktionalität der beiden so veränderten Proteine zu untersuchen. Ihre Analysen ergaben, dass die Signalsequenzen der beiden Proteine austauschbar sind, ohne dass die Zielsteuerung in Mitleidenschaft gezogen wird. In weiterführenden Untersuchungen konnten sie zeigen, dass beide Proteine den gleichen Transportweg benutzen. „Damit wird dieser Transportweg nicht, wie bisher angenommen, exklusiv von Pex3p genutzt, sondern stellt einen neuen allgemeinen Transportweg für peroxisomale Membraneproteine dar“, folgert Prof. Erdmann. Die Studie zeigte außerdem, dass die Signalsequenz zwar für die Zielbestimmung, im Gegensatz zur bisherigen Auffassung aber nicht für die spezifische Funktion des Pex3p bei der Biogenese der Peroxisomen verantwortlich ist.

Titelaufnahme

André Halbach, Robert Rucktäschel, Hanspeter Rottensteiner, Ralf Erdmann: The N-domain of Pex22p Can Functionally Replace the Pex3p N-domain in Targeting and Peroxisome Formation. In: The Journal of Biological Chemistry, Vol. 284, Issue 6, 3906-3916, FEBRUARY 6, 2009, doi:10.1074/jbc.M806950200

Weitere Informationen

Prof. Dr. Ralf Erdmann, Abteilung für Systembiochemie der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24943, E-Mail: Ralf.Erdmann@rub.de

Redaktion: Meike Drießen

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Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

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