Ist der Himmel die Grenze?

Die Grenzen des natürlichen Lebensraumes einer Spezies entstehen aus dem Zusammenspiel von ökologischen und evolutionären Dynamiken. © Polechová

Was hindert eine Spezies daran, sich an eine immer größere Vielfalt von Lebensbedingungen anzupassen und sich geographisch immer weiter auszubreiten? Die Biomathematikerin Jitka Polechová, Elise-Richter-Stipendiatin an der Universität Wien, klärt in einem Artikel in der Fachzeitschrift PLoS Biology, wieso das Verbreitungsgebiet einer Spezies begrenzt ist.

Die Theorie zeigt, dass lediglich zwei Größen, die sowohl in der Evolution als auch in der Ökologie wichtig sind, fundamental für die Stabilität des Verbreitungsgebiets sind: die räumliche Heterogenität in den Umweltbedingungen und die Größe der lokalen Populationen.

Alle Arten haben ein räumlich begrenztes Vorkommen. Eine kohärente Theorie, die die Größe und die Grenzen von Ausbreitungsgebieten erklärt, hat jedoch bisher gefehlt: Einerseits aufgrund der Komplexität des Problems und andererseits aufgrund der verschiedenen Traditionen in Ökologie und in Evolutionsbiologie. Jitka Polechová zeigt in ihrer aktuellen Studie, wo das Verbreitungsgebiet einer Art endet.

Das theoretische Modell berücksichtigt sowohl Populationsdynamik als auch evolutionäre Dynamik und wirft Licht auf die Rolle von Wanderungsbewegungen für die Anpassung über ein Verbreitungsgebiet hinweg. Wanderungsbewegungen haben miteinander konkurrierende Effekte:

Einerseits erhöhen sie die genetische Vielfalt, die für erfolgreiche Anpassung nötig ist, und wirken so dem Verlust genetischer Diversität entgegen. Andererseits verursachen Wanderungsbewegungen auch Kosten und können damit Adaptionen an lokale Umweltbedingungen verwässern. Dieses Wechselspiel ist entscheidend dafür, dass die Ausbreitung irgendwann an ihre Grenzen stößt.

Die neue Theorie zeigt, dass Anpassung über ein Verbreitungsgebiet hinweg von zwei dimensionslosen Parametern abhängt: Erstens von den Fitnesskosten durch Wanderungsbewegungen – ein Maß für die Heterogenität der Umwelt – und zweitens von der Stärke genetischer Drift – ein Maß für den Verlust an genetischer Diversität.

Je heterogener eine Umwelt ist, desto schwerer ist es, sich in ihr auszubreiten, und je niedriger die genetische Vielfalt, desto geringer ist der Umfang potentieller Anpassung. Zusammen setzen diese beiden Parameter den Grenzwert für weitere Ausbreitung fest: Weitere Anpassung schlägt fehl, wenn die Zahl der Individuen, die innerhalb einer Generation in neue Gebiete vordringen können, so gering ist, dass genetische Drift die Diversität unter jenen Wert drückt, der für die Anpassung nötig wäre. Dieser Wert zeigt, wann eine weitere Ausbreitung fehlschlägt.

Interessanterweise sind die Parameter unabhängig von der genetischen Architektur. Das eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, die Theorie empirisch anhand vieler verschiedener Arten zu testen. Darüber hinaus macht das Modell klar, dass die Vorteile von Wanderungsbewegungen in Randpopulationen hinein die Kosten wahrscheinlich überwiegen. Diese Erkenntnis bietet eine theoretische Grundlage für Managementstrategien zum Erhalt bedrohter Tierarten.

Publikation in „PLoS Biology“
Polechová J. (2018) Is the sky the limit? On the expansion threshold of a species' range. PLoS Biology.
doi: https://doi.org/10.1371/journal.pbio.2005372

Dieser Artikel ist als Open Access-Publikation abrufbar.

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Alexandra Frey Universität Wien

Weitere Informationen:

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