Infektionsrisiko messbar machen

Der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus, aufgenommen im Rasterelektronenmikroskop<br>Foto: HKI <br>

Doch nicht selten infiziert sich der geschwächte Patient in den Tagen nach der Transplantation mit dem Schimmelpilz Aspergillus fumigatus – häufig mit tödlichem Ausgang.

Dank eines Wissenschaftlerteams aus vier Ländern, darunter Forscher aus Jena, und rund 600 Testpersonen konnte nun ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung dieser Infektion gefunden werden. Die Forschungsergebnisse sind soeben in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift New England Journal of Medicine erschienen.

Es genügt einmal Luft zu holen, um die Sporen des Schimmelpilzes Aspergillus fumigatus einzuatmen. Bei jedem Menschen geschieht das täglich, denn der Pilz ist überall: in der Luft, an Nahrungsmitteln, teilweise sogar im Wasser.

Doch für Patienten mit geschwächtem Immunsystem kann dieser Pilz zur Bedrohung werden. Bis zu einem Drittel aller Empfänger von Knochenmark- und Stammzellspenden eines Fremdspenders sind gefährdet. Entscheidend ist hierbei, so fanden Wissenschaftler vom Zentrum für Innovationskompetenz Septomics der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut gemeinsam mit ihren Kollegen aus Deutschland, Italien, Portugal und Belgien heraus, ob die Gene dies begünstigen: „Nicht nur das Erbgut des Empfängers, sondern insbesondere das des Knochenmarkspenders ist entscheidend dafür, ob sich der Empfänger mit dem Schimmelpilz infiziert“, erklärt der Jenaer Mikrobiologe Prof. Oliver Kurzai.

Das Bemerkenswerte: Die Forscher um Agostinho Carvalho (Universität Perugia, Italien) konnten eine exakte Stelle im Erbgut bestimmen, welche das Risiko für die Erkrankung entscheidend beeinflusst. Das Eiweiß Pentraxin 3 wird von den gefährdeten Patienten deutlich weniger gebildet als nötig wäre. Denn Pentraxin 3 ist an der Arbeit des Immunsystems und damit an der Abwehr des Körpers gegen Krankheitserreger wie Aspergillus fumigatus beteiligt. Dringt der Erreger in den Körper ein, markiert Pentraxin 3 diesen, damit ihn die Immunzellen schneller vernichten können. Es leistet also entscheidende Vorarbeit.

Nur durch häufige Absprache zwischen den Wissenschaftlern und die Untersuchung von fast 600 Testpersonen sei diese außergewöhnliche Studie möglich gewesen, betont Kurzai. In die Nutzung und Weiterentwicklung der Ergebnisse setzen Wissenschaftler und Ärzte große Hoffnungen. Prof. Kurzai hat bereits Ideen für die weitere Forschung: „Natürlich ist die Suche nach weiteren Risikofaktoren essenziell – die Infektion mit Aspergillus fumigatus ist von vielen Risikofaktoren abhängig. Eine entsprechende große Studie läuft bereits und wird von Jena aus koordiniert.

Aber die jetzt vorliegenden Ergebnisse sind ein Durchbruch – auf dieser Basis und unter Einbeziehung der laufenden Studie wollen wir in naher Zukunft eine Art Schnelltest entwickeln, der anzeigt, wie sehr ein Patient wirklich gefährdet ist. Mehr als fünf Milliliter Blut und einen Tag Zeit zum Testen bräuchten wir dafür nicht. Mit einem solchen Test könnte man auch die Gabe von Medikamenten reduzieren, denn bisher werden alle Risiko-Patienten – ganz gleich, ob sie die Infektion bekommen oder nicht – vorsorglich behandelt.“ Dadurch wäre nicht nur eine individuellere, sondern auch kostengünstigere Behandlung möglich.

Originalpublikation

Cristina Cunha, Ph.D., Franco Aversa, M.D., João F. Lacerda, M.D., Ph.D., Alessandro Busca, M.D., Oliver Kurzai, M.D., Matthias Grube, M.D., Jürgen Löffler, Ph.D., Johan A. Maertens, M.D., Ph.D., Alain S. Bell, Ph.D., Antonio Inforzato, Ph.D., Elisa Barbati, Ph.D., Bruno Almeida, Ph.D., Pedro Santos e Sousa, M.D., Anna Barbui, M.D., Leonardo Potenza, M.D., Ph.D., Morena Caira, M.D., Ph.D., Fernando Rodrigues, Ph.D., Giovanni Salvatori, Ph.D., Livio Pagano, M.D., Mario Luppi, M.D., Ph.D., Alberto Mantovani, M.D., Andrea Velardi, M.D., Luigina Romani, M.D., Ph.D., and Agostinho Carvalho, Ph.D.
Genetic PTX3 Deficiency and Aspergillosis in Stem-Cell Transplantation
N Engl J Med 2014; 370:421-432 January 30, 2014 DOI: 10.1056/NEJMoa1211161
Informationen zum ZIK Septomics
Das Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) Septomics ist ein fakultätsübergreifendes Forschungszentrum der Friedrich-Schiller-Universität Jena und wissenschaftlich assoziiert mit dem Universitätsklinikum Jena und dem Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut. Die drei interdisziplinären Arbeitsgruppen des ZIK Septomics werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der BMBF-Innovationsinitiative „Unternehmen Region – Zentren für Innovationskompetenz“ gefördert. Im ZIK Septomics arbeiten Grundlagenforscher und Kliniker eng zusammen, um die Stagnation bei Diagnose und Therapie der Sepsis zu überwinden. Ihr Ziel ist ein besseres molekulares Verständnis der Sepsis als Voraussetzung für neue, lebensrettende diagnostische und therapeutische Ansätze.

Informationen zum HKI

Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.

Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten mehr als 350 Personen am HKI, davon 120 als Doktoranden.

Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundprojekte wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, des Sonderforschungsbereiches/Transregio FungiNet, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020 – Neue Antiinfektionsstrategien, einem Vorhaben im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation.

Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an.

Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der WissenschaftsCampi –, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam.

Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.200 Personen, darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro.

Ansprechpartner

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Wissenschaftliche Koordination und Öffentlichkeitsarbeit
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Albert-Einstein-Strasse 10
07745 Jena
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+49 3641 9396502 (F)
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