Immunsystem erlaubt die Wirksamkeit der Chemotherapie vorherzusagen

Darmkrebspatienten, bei denen der Tumor bereits Lebermetastasen gebildet hat, profitieren eher von einer Chemotherapie, wenn am Tumorrand eine erhöhte Anzahl von bestimmten Immunzellen vorhanden ist.

Diesen Zusammenhang haben Wissenschaftler des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Heidelberg (NCT) im Rahmen einer Analyse von Gewebeproben beobachtet. Die individuelle Zelldichte ist die Antwort des Immunsystems auf den Tumor. Sie kann nun als so genannter Marker für eine personalisierte Behandlung genutzt werden und die Therapieentscheidung für Ärzte erleichtern.

Bereits in einer vorherigen Studie fanden die Forscher um Prof. Dr. Dirk Jäger (Ärztlicher Direktor und Leiter der Abteilung Medizinische Onkologie am NCT Heidelberg) Hinweise darauf, dass das körpereigene Abwehrsystem sowohl die Entwicklung des Tumors als auch den Erfolg einer chemotherapeutischen Behandlung beeinflusst. Deshalb untersuchten sie das Geschehen am Tumorrand der Lebermetastasen von 101 operierten Patienten genauer und verglichen es mit deren Ansprechen auf eine Chemotherapie.

Zuerst definierten die Forscher Kriterien für die Immunantwort. Dazu zählten sie angefärbte Immunzellen am Tumorrand von operierten Patienten. Diese speziellen Immunzellen bilden dabei die körpereigene Abwehr gegen Bakterien und auch Tumorzellen. „Wiesen die Patienten im Rand der Lebermetastasen viele Immunzellen auf, so sprachen sie auch besser auf eine Chemotherapie an“, fasst Dirk Jäger die Ergebnisse zusammen. „Die Metastasen bildeten sich deutlich zurück und der Therapieerfolg der Chemotherapie hielt länger an.“

Wird Darmkrebs früh erkannt, kann er mit einer Chance von 90 bis 100 Prozent geheilt werden. Ergänzend zur Operation wird oftmals eine Chemotherapie oder Strahlentherapie durchgeführt. „Hat der Krebs bereits Metastasen entwickelt, beispielsweise in der Leber, sinken die Heilungschancen dramatisch auf meist weniger als 20 Prozent“, erklärt Dr. Niels Halama aus der Forschungsgruppe. „Viele Patienten leiden außerdem unter den starken Nebenwirkungen einer Chemotherapie. Deshalb ist es wichtig, diejenigen Patienten zu identifizieren, die von einer solchen Therapie nicht profitieren würden, und damit unnötige Behandlungen zu vermeiden.“

Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit der systembiologischen Forschungsgruppe von PD Dr. Niels Grabe im BIOQUANT durchgeführt, um ein überall in der klinischen Praxis einsetzbares Verfahren für die Bestimmung dieses Markers zu entwickeln. Dort wird eine automatische computergestützte Mikroskopie verwendet, um die Zelldichten der Immunantworten zu messen. „Vorteil für den Patienten ist hierbei eine genaue quantitative Erfassung seiner Immunantwort, die dem Arzt eine objektive, klare Therapieempfehlung ermöglicht“, erläutert Niels Grabe. Denn ein aussagekräftiger Biomarker benötigt immer einen dazugehörigen Test für die Anwendung in der Klinik.

Da die Studie nur Aussagen für Patienten zulässt, deren Lebermetastasen operativ entfernt wurden, entwickeln die Forscher ihr Verfahren nun weiter. Dabei haben sie Immunantworten im Blick, die bei einer minimalen Gewebeentnahme, einer so genannten Biopsie, untersucht werden können. Parallel wird an einem Verfahren gearbeitet, bei dem man sogar ganz ohne eine Gewebeentnahme die Immunzelldichten bestimmen kann.

Darmkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen in den westlichen Ländern. Jährlich erkranken in Deutschland rund 68.740 Menschen an Darmkrebs und ca. 27.225 Menschen sterben daran. Neben den Lebens- und Ernährungsgewohnheiten tragen insbesondere genetische Faktoren zur Entstehung dieser Krebsart bei.

Niels Halama, Sara Michel, Matthias Kloor, Inka Zoernig, Axel Benner, Anna Spille, Thora Pommerencke, Magnus von Knebel Doeberitz, Gunnar Folprecht, Birgit Luber, Nadine Feyen, Uwe M. Martens, Philipp Beckhove, Sacha Gnjatic, Peter Schirmacher, Esther Herpel, Juergen Weitz, Niels Grabe and Dirk Jaeger: Localization and Density of Immune Cells in the Invasive Margin of Human Colorectal Cancer Liver Metastases Are Prognostic for Response to Chemotherapy, Cancer Research, August 16, 2011(DOI:10.1158/0008-5472.CAN-11-0268)

Über das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg:
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums, des Universitätsklinikums Heidelberg, der Thoraxklinik Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Letztere fördert das NCT als onkologisches Spitzenzentrum. Ziel des NCT ist die Verknüpfung von vielversprechenden Ansätzen aus der Krebsforschung mit der Versorgung der Patienten von der Diagnose über die Behandlung, die Nachsorge sowie der Prävention. Die interdisziplinäre Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, zeitnah erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik.

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