Hybrid-Pflanzen mit überschießendem Immunsystem

Inkompatible Hybride aus Kreuzungen zwischen der Arabidopsis thaliana-Variante Ler und verschiedenen Ökotypen aus Zentralasien bei niedrigen Temperaturen (14º). Die Paare stellen jeweils die für inkompatible Genvarianten heterozygote (links) und homozygote (rechts) Tochterpflanzen der zweiten Generation dar. Da inkompatible Gene rezessiv sind, bleiben nur homozygote Hybride zwergwüchsig. Die heterozygoten Hybriden wachsen dagegen normal. Bild: MPI für Pflanzenzüchtungsforschung<br>

Individuen derselben Art lassen sich meist problemlos kreuzen. Aber auch Gene haben Vorlieben, manche Genvarianten vertragen sich nicht mit denen eines anderen Individuums. Denn durch die natürliche Selektion können sich Genvarianten herausbilden, die nicht mehr zu den Genen von Pflanzen an anderen Standorten passen. Auf diese Weise können sich neue Arten herausbilden. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln haben jetzt eine solche Genkombination identifiziert. Sie sorgt dafür, dass die inkompatiblen Hybride bei Kälte schlecht wachsen und ihre Immunantwort gegenüber Krankheitserregern nicht mehr kontrollieren können. (Nature Genetics, 31. Oktober 2010)

Pflanzen, die zwei oder mehr nicht zusammen passende Genvarianten – auch Allele genannt – enthalten, sind häufig steril und wachsen langsam. Züchtungsforscher nennen solche Pflanzen mit verfeindeten Genvarianten inkompatible Hybride. Trotzdem verschwinden diese Allele nicht einfach wieder aus der Natur. Einige sind erstaunlich häufig. Das legt die Vermutung nahe, dass sie für ihre Herkunftspflanzen von Vorteil sind und sich erst nach der Kreuzung von ihrer schlechten Seite zeigen. Matthieu Reymond und Rubén Alcázar vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung haben zusammen mit Kollegen inkompatible Hybride untersucht, die bei der Kreuzung von Arabidopsis thaliana entstehen.

Das Verbreitungsgebiet des auch unter dem Namen Ackerschmalwand bekannten Unkrauts reicht von Japan bis zu den Kapverdischen Inseln und Nordamerika und von Nordafrika bis Nordschweden. Die verschiedenen Varianten werden als Ökotypen bezeichnet. Kreuzt man den europäischen Ökotyp Ler mit den asiatischen Ökotypen Kas-2 oder Kond, erhält man inkompatible Hybride, die bei Temperaturen unter 14 Grad Celsius nur eine Zwergform ausbilden. Bei höheren Temperaturen wachsen sie dagegen normal.

Überaktives Immunsystem hemmt Wachstum

Jetzt haben die Kölner Wissenschaftler das kritische Allel in den Ökotypen Kas-2 und Kond entdeckt. Es ist eine so genannte Rezeptor-ähnliche Kinase, die an der Immunabwehr beteiligt ist. Dieses Allel lässt ein Protein entstehen, das eine stärkere Immunantwort in Gang setzt.

Das kritische Allel im Ler-Ökotyp wiederum liegt in einem Bereich des Erbgutes, in dem sich viele Resistenzgene aneinanderreihen. Deren Genprodukte unterstützen die Pflanze ebenfalls bei der Abwehr von Krankheitserregern. Reymond und Alcázar haben diesen Zusammenhang bereits früher nachgewiesen, kennen aber noch nicht die genaue Variation im Ler-Allel, die sich nicht mit den Allelen Kas-2 oder Kond verträgt. „Dass das Ler-Allel etwas mit dem Immunsystem der Pflanze zu tun haben muss, legt der Zwergwuchs nahe. Ein aktiviertes Abwehrsystem verlangt der Pflanze eine erhebliche Stoffwechselleistung ab und geht immer auf Kosten des Wachstums“, sagt Matthieu Reymond.

Die Kölner Wissenschaftler nehmen an, dass die isolierten Populationen der Ackerschmalwand über die Zeit verschiedene genetische Änderungen angesammelt haben. Einige sind zufällig entstanden, während andere selektiert wurden, da sie eine besonders gute Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten möglich gemacht haben. Die inkompatiblen Kas und Kond-Kinase Allele kommen in Asien häufig vor und zeigen dort Zeichen einer natürlichen Selektion, während sie in anderen Teilen der Welt nicht zu finden sind. Sie konnten sich vermutlich in Asien ausbreiten, weil sie den dortigen Populationen zu einer optimalen Immunantwort verhelfen. Die desaströse Überaktivität des Immunsystems erzeugen sie erst bei der Kreuzung mit dem Ler-Ökotyp, dem sie aber in der Natur wegen der großen räumlichen Distanz vermutlich nie begegnen werden. Für die schädliche Kombination gibt es deshalb keinen Selektionsdruck.

„Die Ausbreitung der Imkompatibilität zwischen Ler-Ökotyp und den asiatischen Ökotypen ist ein Nebenprodukt der natürlichen Selektion in den örtlichen Umgebungen. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie neue Arten entstehen, die dann nicht mehr miteinander gekreuzt werden können“, erklärt Rubén Alcázar.

Originalveröffentlichung:

Rubén Alcázar, Ana V. García, Ilkka Kronholm, Juliette de Meaux, Maarten Koornneef, Jane E Parker & Matthieu Reymond
Natural variation at Strubbelig Receptor Kinase 3 drives immune-triggered incompatibilities between Arabidopsis thaliana accessions

Nature Genetics (doi:10.1038/ng.704)

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Rubén Alcázar
Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung, Köln
Tel.: +49 221 5062-468
E-Mail: alcazar@mpipz.mpg.de

Media Contact

Barbara Abrell Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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