Hoch spezialisierte Bakterien kommen im Ozean auch außerhalb ihres bisher bekannten Lebensraumes vor

Mikroskopaufnahme eines Bakteriums Bild: UHH/Perner

Die Erkenntnisse der Hamburger Gruppe stützen eine in der Mikrobiologie intensiv diskutierte Hypothese des niederländischen Biologen Baas Becking von 1934 zur Verbreitung von Mikroorganismen: „Alles ist überall, aber die Umwelt selektiert“.

Becking ging davon aus, dass alle Arten von Mikroorganismen, etwa Bakterien und Algen, weltweit verbreitet sind, aber in unterschiedlicher Häufigkeit vorkommen. Abhängig von den Gegebenheiten des Lebensraums kommen Arten mit bestimmten Eigenschaften zwar in größerer Zahl vor, aber die anderen Arten sind dennoch vorhanden, wenn auch schwer bis gar nicht nachweisbar.

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten in einem interdisziplinären Team aus den Bereichen Mikrobiologie, Bioinformatik, Geowissenschaften und Ozeanographie systematisch die Ozeane nach Bakterien, die bislang nur an hydrothermalen Tiefseequellen, sogenannten „Schwarzen Rauchern“, identifiziert worden waren.

Dort tritt bis zu 400 Grad heißes, stark mineralhaltiges Wasser aus dem Boden aus und gibt die gelösten Stoffe in das kältere Umgebungswasser ab. Viele dieser Stoffe können von den Bakterien als Energiequelle genutzt werden, weswegen in diesen Lebensräumen – im Gegensatz zum größtenteils dünn besiedelten Tiefsee – oft das Leben floriert. Bisher ging man davon aus, dass die an die extremen Bedingungen angepassten Bakterien in anderen Habitaten im Ozean nicht zu finden sind.

Nach Vergleichen von 62 Millionen Gensequenzen – eine Sequenz repräsentiert jeweils ein Bakterium – konnten die Forscherinnen und Forscher erstmals nachweisen, dass viele dieser Bakterien auch weit entfernt von hydrothermalen Quellen zu finden sind, allerdings in sehr geringer Konzentration.

Wenn dieses Phänomen auch auf andere spezialisierte Habitate des Ozeans zu übertragen ist, hätte demnach jeder Lebensraum im Ozean theoretisch das Potenzial, unterschiedliche und an verschiedene Umweltbedingungen angepasste mikrobielle Gemeinschaften hervorzubringen.

„Wir gehen davon aus, dass die ‚hydrothermal-spezifischen‘ Bakterien bisher wohl deshalb nicht in anderen Bereichen entdeckt wurden, weil die Menge an Sequenzdaten nicht ausreichend war“, erklärt Jun-Prof. Dr. Mirjam Perner vom Biozentrum Klein Flottbek.

Die nun veröffentlichte Studie zeige, dass eine ausführliche Untersuchung der marinen mikrobiellen Gemeinschaften eine viel tiefere Analyse als bisher angenommen erfordere, wobei die Sequenzen von Millionen an Mikroorganismen betrachtet werden müssten.

Die Forschung zur Verbreitung von Mikroorganismen ist zum Beispiel für die Fragestellung relevant, auf welchen Wegen die Besiedelung von im Ozean geografisch isolierten Bereichen möglich ist.

Link zum Artikel:
Endemic hydrothermal vent species identified in the open ocean seed bank.
doi: 10.1038/nmicrobiol.2016.86: http://www.nature.com/articles/nmicrobiol201686

https://www.uni-hamburg.de/presse/pressemitteilungen/2016/pm50.html

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Birgit Kruse idw - Informationsdienst Wissenschaft

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