Herzklopfen: Winterschläfer verwenden einen „Herzschlagregler“, um Energie zu sparen

Hamster im Starrezustand<br>Bild: Arjen Strijkstra <br>

Viele kleine Säugetiere, wie z.B. Murmeltiere, Igel, Fledermäuse, einige Hamsterarten und sogar manche Vögel, besitzen eine besondere Fähigkeit: Sie können sich bei eingeschränktem Nahrungsangebot und tiefen Außentemperaturen in einen Energiesparmodus (landläufig „Winterschlaf“ genannt) versetzen.

Wissenschafter des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna haben nun in einer Studie, gemeinsam mit der Universität Groningen in den Niederlanden, herausgefunden, dass bestimmte Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren die Herzfunktion und somit den Winterschlaf regulieren. Diese essentiellen Fettsäuren steuern das Erreichen tiefer Körpertemperaturen und die Bewahrung eines regelmäßigen Herzschlages. Das Überleben der Winterschläfer wird somit gesichert.

Fettsäuren steuern den Winterschlaf

Der Forscher Sylvain Giroud und seine Kollegen vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie und von der Universität Groningen konnten in der vorgelegten Studie nachweisen, dass spezielle Omega-6-Fettsäuren, die Linolsäuren, eine stabile Herzfunktion und einen regelmäßigen Herzschlag während des Tiefschlafs ermöglichen. Sie fanden heraus, dass Winterschläfer höhere Linolsäurewerte im Herzgewebe haben als Tiere, die keinen Winterschlaf halten. Um den Fettsäuregehalt im Herzen von Winterschläfern zu bestimmen, untersuchten die Wissenschafter im Labor 40 Goldhamster der Spezies Mesocricetus auratus. Sie fanden heraus, dass die Linolsäurewerte bei jenen Hamstern, die sich in der Abkühlungsphase und im tiefen Winterschlaf befanden, höher waren, als bei Tieren im aktiven Zustand.
Die Forscher prüften auch den DHA (Docosahexaensäure)-Gehalt, eine Omega-3-Fettsäure. Dieser war während des Winterschlafs signifikant niedriger. Beide Fettsäurearten spielen beim Winterschlaf offenbar eine wichtige Rolle. Die Mengen dieser spezifischen Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren werden, laut der Studie, im Herz entsprechend der Jahreszeit hoch und nieder reguliert. Anders als im Winter schützt im Sommer ein hoher DHA-Wert das Herz vor Überlastung.

Kalziumpumpen im Herz

Bestimmte Fettsäuren nehmen Einfluss auf die Aktivität sogenannter Kalziumpumpen in den Zellen, welche für ordnungsgemäße Muskelkontraktionen im Körper verantwortlich sind. Die Forscher konnten nachweisen, dass Tiere im Winterschlaf über größere Mengen an Linolsäuren im Herz verfügen. Diese Linolsäuren aktivieren eine spezifische Kalziumpumpe im Herzen (SERCA) und regulieren dadurch den Herzschlag bei niedrigen Körpertemperaturen. Ein regelmäßiger Herzschlag hängt von der Funktionstüchtigkeit dieser Pumpe ab. Bei Säugetieren, die keinen Winterschlaf halten, können niedrige Temperaturen die Pumpe beeinträchtigen und dann aufgrund einer Überdosis von Kalzium im Herzen zu Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand führen. Der hohe Anteil an Linolsäuren bei Winterschläfern sichert einen effizienten Kalziumtransport und sorgt also für einen regelmäßigen Herzschlag.
Nahrung beeinflusst den Winterschlaf

Die wichtigen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren werden über die Nahrung aufgenommen. Der Körper reguliert zwar den Gehalt an Fettsäuren in jedem Gewebe, jedoch spielt das Nahrungsangebot eine wichtige Rolle für Winterschläfer. Man weiß beispielsweise, dass in freier Wildbahn lebende Murmeltiere im Herbst aktiv nach jenen Pflanzen suchen, welche einen hohen Anteil an Omega-6-Fettsäuren beinhalten, um sich auf den Winterschlaf vorzubereiten. Obwohl in der veröffentlichten Studie alle Tiere durchgehend mit den gleichen Mengen verschiedener Fettsäuren gefüttert wurden, konnten zu unterschiedlichen Zeiten, abhängig vom physiologischen Zustand der Hamster, verschiedene Fettsäurewerte gemessen werden. Giroud erklärt: „Fettsäuren haben Auswirkungen auf die Kalziumpumpen im Herzen und daher auch auf die Temperatur der Tiere während des Winterschlafs. Da wir bei Tieren, die konstant mit gleichem Futter gefüttert wurden, Schwankungen in der Fettsäurezusammensetzung im Herzen messen konnten, vermuten wir bei frei lebenden Tieren, deren Nahrungssituation viel variabler ist, eine noch größere Schwankung. In freier Wildbahn ist unter Umständen sogar der Zugang zu essentiellen Fettsäuren beschränkt.“
“Membrane phospholipid fatty acid composition regulates cardiac SERCA activity in a hibernator, the Syrian hamster (Mesocricetus auratus) (2013), von Sylvain Giroud, Carla Frare, Arjen Strijkstra, Ate Boerema, Walter Arnold und Thomas Ruf wurde in der Online-Zeitschrift “PLoS ONE” (1.Mai 2013) veröffentlicht.
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0063111

Rückfragehinweis:
Dr. Sylvain Giroud
Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie
Veterinärmedizinische Universität Wien
T +43 1 4890915 – 135
Sylvain.Giroud@vetmeduni.ac.at
Aussenderin:
Heike Hochhauser
Public Relations
Veterinärmedizinische Universität Wien
T +43 1 25077-1151
heike.hochhauser@vetmeduni.ac.at

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