Helmholtz Zentrum München entschlüsselt molekularen Selbstschutz-Mechanismus

Das Immunsystem eines gesunden Organismus unterscheidet mit Hilfe bisher nicht vollständig aufgeklärter Mechanismen zwischen eigenen und fremden Strukturen. Sind diese Schutz- und Regulationsmechanismen gestört, werden Antikörper gegen den eigenen Körper gebildet – man spricht von Autoimmunität*.

An dem jetzt am Helmholtz Zentrum München identifizierten Schutzmechanismus ist das Protein Roquin entscheidend beteiligt: Es kontrolliert die Menge des Ko-Rezeptors ICOS auf der Oberfläche von T-Zellen. Das Vorhandensein von ICOS auf der T-Zelloberfläche ist Voraussetzung dafür, dass die B-Zellen Antikörper bilden können. Kontrolliert Roquin die ICOS-Menge, werden nur Antikörper gegen körperfremde Strukturen, aber keine Selbstantikörper produziert. ICOS und Roquin spielen damit eine kritische Rolle in der gesunden Immunantwort.

Dieser Mechanismus kann aber auch gestört sein. Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes werden durch vielfältige genetische Faktoren begünstigt und durch Umwelteinflüsse ausgelöst. In seltenen Fällen entstehen sie auch durch eine einzige Mutation, etwa im Gen RC3H1, das für das Protein Roquin kodiert. Diese Mutation führt offenbar dazu, dass ICOS unbegrenzt gebildet wird und die B-Zellen in der Folge Selbstantikörper produzieren. Roquin benötigt für seine Schutzfunktion keine Hilfe von microRNAs, sondern erkennt selbst die ICOS-Boten-RNA, bindet daran und leitet ihren Abbau ein. „Roquin hat uns überrascht. Bereits bekannte, für die Prävention von Autoimmunerkrankungen wichtige Proteine markieren ihre Zielproteine und geben sie so für den Abbau frei. Roquin erfüllt zwar eine ähnliche Funktion, arbeitet aber nicht auf Protein-, sondern auf Boten-RNA-Ebene“, erklärt Dr. Elke Glasmacher, Mitarbeiterin in Heissmeyers Arbeitsgruppe und Erstautorin der Studie.

Dem Team um Vigo Heissmeyer gelang der Nachweis der zentralen Roquin-Funktion durch Versuche am Mausmodell, mit microRNA-freien Zellkulturen und Ko-Immunopräzipitation. „Durch die Aufklärung der molekularen Prozesse könnte es in Zukunft möglich werden, das Immunsystem pharmakologisch so zu modulieren, dass Autoimmunreaktionen verhindert werden“, so Heissmeyer.

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*Hintergrund
Autoimmunität: Die Unfähigkeit eines Organismus, seine Strukturbestandteile als körpereigen zu erkennen. Diese Unfähigkeit führt zu Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes, bei dem Antikörper gegen die körpereigene Erbsubstanz, die DNA, gebildet werden.

microRNAs: kurze RNAs mit wichtiger Rolle in der Regulation zellulärer Prozesse

Originalveröffentlichung: Elke Glasmacher, Kai P. Hoefig, Katharina U. Vogel, Nicola Rath, Lirui Du, Christine Wolf, Elisabeth Kremmer, Xiaozhong Wang und Vigo Heissmeyer. (2010): Roquin binds inducible costimulator mRNA and effectors of mRNA decay to induce microRNA-independent post-transcriptional repression. Nature Immunology online-Publikation 18.07.2010

Das Helmholtz Zentrum München ist das deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Als führendes Zentrum mit der Ausrichtung auf Environmental Health erforscht es chronische und komplexe Krankheiten, die aus dem Zusammenwirken von Umweltfaktoren und individueller genetischer Disposition entstehen. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens auf einem 50 Hektar großen Forschungscampus. Das Helmholtz Zentrum München gehört der größten deutschen Wissenschaftsorganisation, der Helmholtz-Gemeinschaft an, in der sich 16 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit insgesamt 30.000 Beschäftigten zusammengeschlossen haben.

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