Heiliger Gral im Ohr aufgespürt

Schwingungsmessung an der Fliegenantenne. Mit Hilfe eines Laser-Vibrometers werden Bewegungen im Bereich atomarer Dimensionen erfasst.<br>Universität Göttingen<br>

Treffen Schallwellen im Ohr auf eine Sinneszelle, werden sie dort durch spezialisierte Ionenkanäle, die sich öffnen und schließen, in elektrische Nervensignale umgewandelt. Wissenschaftler der Universität Göttingen haben nun ein Protein entdeckt, ohne dass sich diese Ionenkanäle nicht öffnen und schließen lassen. Damit könnte dieses Protein verantwortlich sein für die Fähigkeit zu hören. Die Untersuchungen fanden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Molekulare Mechanismen Sensorischer Verarbeitung“ in der Abteilung Zelluläre Neurobiologie statt. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature Neuroscience veröffentlicht.

Die Wissenschaftler untersuchten am Beispiel der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, die mit ihrer Antenne hört, wie die Schallumwandlung im Ohr funktioniert. An den Ionenkanälen sitzen winzige Federn, die Schwingungen durch Schallwellen direkt auf die Kanäle übertragen: Schwingt die Fliegenantenne im Schallfeld, öffnen und schließen sich die Ionenkanäle. Umgekehrt führt das Öffnen und Schließen der Kanäle wiederum dazu, dass sich die Antenne bewegt. Die Forscher nutzten die von den Kanälen verursachten Antennenbewegungen nun aus, um genetische Defekte in der Kanalfunktion aufzuspüren. Dabei stießen sie auf ein Protein, ohne dass sich die Kanäle nicht mehr öffneten und schlossen. Nach dem Wiedereinsetzen des Proteins funktionierten die Kanäle wieder, bei einer reduzierten Proteinmenge funktionierte nur ein Teil der Kanäle.

„Unsere Ergebnisse zeigen erstmals, dass der Verlust dieses Proteins gezielt den Feder-Kanal-Komplex in Hörzellen durchtrennt“, erläutert der Erstautor der Studie, Thomas Effertz. „Die molekulare Identifizierung dieses Komplexes gilt als heiliger Gral der Hörforschung, und jetzt haben wir diesen im Fliegenohr aufgespürt.“ Das Protein wird TRPN1 oder NompC genannt und kommt in den Hörsinneszellen von Insekten, Fliegen und Fröschen vor. Die Wissenschaftler vermuten, dass es sowohl die Feder als auch den entsprechenden Ionenkanal bildet. Um diese Annahme zu testen, wollen sie die Feder des TRPN1-Ionenkanals nun in weiteren Untersuchungen mit genetischen Tricks verändern und sie beispielsweise steifer und weicher machen.

Originalveröffentlichung: Thomas Effertz et al. Direct gating and mechanical integrity of Drosophila auditory transducers require TRPN1. Nature Neuroscience (2012). Doi: 10.1038/nn.3175.

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Martin Göpfert
Georg-August-Universität Göttingen
Biologische Fakultät – Abteilung Zelluläre Neurobiologie
Julia-Lermontowa-Weg 3, 37077 Göttingen
Telefon (0551) 39-177955, E-Mail: mgoepfe@gwdg.de

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Beate Hentschel idw

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