Graphenbänder für Nanotransistoren

Kohlenstoff vom Band: Mit einer einfachen Methode stellen Forscher des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung und der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa Graphenbänder auf Metalloberflächen her. Dank deren Halbleitereigenschaften könnten sich daraus Nanotransistoren für die Elektronik der Zukunft konstruieren lassen. Bild: Empa

Kohlenstoff könnte das Silicium von morgen sein – wenn sich ihm Eigenschaften eines Halbleiters beibringen lassen. Das ist einem Team um Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung und der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa jetzt gelungen. Die Forscher haben auf einer metallischen Unterlage mit einer einfachen chemischen Methode schmale Bänder aus Graphen, einzelnen Lagen von Kohlenstoffatomen, hergestellt. Da die Bänder nicht mehr als wenige Nanometer breit sind, nehmen sie Halbleitereigenschaften an. Sie werden damit zu vielversprechende Kandidaten für künftige Anwendungen in der Elektronik, zumal sich ihre Eigenschaften – je nach Breite und Randform – gezielt einstellen lassen. (Nature, 22. Juli 2010)

Transistoren auf Graphenbasis gelten als mögliche Nachfolger für die heute üblichen Bauteile aus Silicium. Graphen besteht aus zweidimensionalen Kohlenstoffschichten und besitzt etliche herausragende Eigenschaften: Es ist nicht nur härter als Diamant, extrem reißfest und undurchlässig für Gase, sondern auch ein ausgezeichneter elektrischer und thermischer Leiter. Graphen ist allerdings ein Halbmetall und kein Halbleiter: Es besitzt – im Gegensatz zu Silicium – keine elektronische Bandlücke und eignet sich somit von Natur aus erst einmal nicht für Transistoren und andere elektronische Beuteile. Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa und des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz sowie der ETH Zürich und der Universitäten Zürich und Bern entwickelten deshalb ein neues Verfahren, um Graphenbänder mit Bandlücken herzustellen.

Die Forscher um Klaus Müllen, Direktor am Max-Planck-Institut für Polymerforschung, und Roman Fasel, Senior Scientist an der Empa und Professor für Chemie und Biochemie an der Universität Bern, lassen schmale Graphenbänder auf Oberflächen wachsen, sie produzieren die Kohlenstoffstreifen also bottom-up aus chemischen Grundbausteinen. Dieses Bauprinzip haben die Chemiker des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung entwickelt und dafür auch die chemischen Ausgangssubstanzen geliefert: Moleküle, die an strategisch wichtigen Stellen Halogenatome tragen. Die Kollegen der Empa bringen diese Monomere dann in einem extrem guten Vakuum auf Gold- oder Silberoberflächen auf, wo sich die Moleküle in einem ersten Reaktionsschritt zu Polyphenylenketten verbinden.

In einem zweiten Reaktionsschritt, den die Chemiker durch stärkeres Erhitzen einleiten, entziehen sie den Polyphenylenketten Wasserstoff. Die Ketten wandeln sich auf diese Weise zu einem planaren, aromatischen Graphensystem um. So entstehen atomar dünne Graphenbänder von einem Nanometer Breite und einer Länge bis zu 50 Nanometer. Damit sind die Graphenbänder so schmal, dass sie eine elektronische Bandlücke aufweisen und nun wie Silicium Schalteigenschaften besitzen. „Das ist ein erster, wichtiger Schritt für den Wechsel von der Silicium-Mikro- zur Graphen-Nano-Elektronik“, sagt Klaus Müllen. Doch damit nicht genug: Je nachdem, welche Monomere die Forscher verwendeten, bildeten sich Graphenbänder mit unterschiedlicher räumlicher Struktur, mal entstanden Bänder mit geraden und mal mit zickzackförmigen Rändern. „Über die Form der Ränder können wir die elektronischen Eigenschaften des Graphen gezielt beeinflussen“, sagt Roman Fasel. Da die Forscher Graphenbänder nun fast nach Belieben herstellen können, möchten sie als nächstes untersuchen, wie etwa die magnetischen Eigenschaften der Graphenbänder von den verschiedenartigen Rändern abhängen.

Geschnittene Graphenbänder sind zu breit und ausgefranst

Bislang wurden Bänder aus größeren Graphenschichten geschnitten, etwa so wie Tagliatelle aus einem Pastateig. Alternativ haben Materialwissenschaftler Kohlenstoffnanoröhrchen der Länge nach aufgetrennt. In den Kohlenstoffbändern entsteht durch einen quantenmechanischen Effekt eine Bandlücke – ein Energiebereich, in dem sich keine Elektronen befinden können und der die physikalischen Eigenschaften wie etwa die Schaltfähigkeit bestimmt. Die Breite eines Graphenbandes und auch die Form seiner Ränder bestimmen die Größe der Bandlücke und beeinflussen dadurch die Eigenschaften eines daraus konstruierten Bauteils. „Die dafür bis jetzt verwendeten lithografischen Methoden etwa zum Schneiden liefern zu breite Bänder mit diffusen Rändern“, erklärt Klaus Müllen.

Mit der neuen Methode, die Klaus Müllen und seine Kollegen entwickelt haben, lassen sich nun Graphenbänder herstellen, die deutlich unter zehn Nanometer breit sind und noch dazu wohl definierte Ränder besitzen. Aus ihnen könnten sich daher Bauteile mit maßgeschneiderten optischen und elektronischen Eigenschaften konstruieren lassen: Je nach Bedarf kann über die Manipulation der Bandlücke die Schalteigenschaft eines Transistors eingestellt werden.

Auf der Suche nach weiteren Eigenschaften

Die oberflächenchemische Methode könnte es aber auch erleichtern, Graphenbänder zu dotieren: „Wenn wir etwa Monomere mit Stickstoff- oder Boratomen an genau definierten Positionen als Bausteine für die Graphenbänder verwenden, müssten wir positiv und negativ dotierte Graphenbänder erhalten“, sagt Roman Fasel. Auch eine Kombination verschiedenartiger Monomere sei möglich und würde beispielsweise die Herstellung so genannter Heteroübergänge erlauben – Schnittstellen zwischen verschiedenartigen Graphenbändern, etwa mit kleiner und großer Bandlücke -, die in Solarzellen oder Höchstfrequenzbauelementen zum Einsatz kommen könnten. Dass das zugrunde liegende Bauprinzip auch hier funktioniert, haben die Forscher bereits bewiesen: Mit zwei geeigneten Arten von Monomeren haben sie an einem Knotenpunkt drei Graphenbänder miteinander verknüpft.

Einen Schritt müssen die Forscher allerdings noch machen, ehe sich die Graphenbänder für die Elektronik nutzen lassen: Sie müssen die Kohlenstoffstreifen auf einen Halbleiter bringen. Entweder sie produzieren die Bänder also direkt auf Halbleiteroberflächen statt auf Gold oder Silber oder sie entwickeln Methoden, um die Bänder von Metall- auf Halbleiteroberflächen zu übertragen. „Auch hier stimmen uns unsere ersten Ergebnisse zuversichtlich“, so Roman Fasel.

Originalveröffentlichung:

Jimming Cai, Pascal Ruffieux, Rached Jaafar, Marco Bieri, Thomas Braun, Stephan Blankenburg, Matthias Muoth, Ari P. Seitsonen, Moussa Saleh, Xinliang Feng, Klaus Müllen & Roman Fasel
Atomically precise bottom-up fabrication of graphene nanoribbons
Nature, 22 Juli 2010; doi:10.1038/nature09211
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Prof. Dr. Klaus Müllen
Max-Planck-Institut für Polymerforschung, Mainz
Tel.: +49 6131 379 151
E-Mail: muellen@mpip-mainz.mpg.de
Prof. Dr. Roman Fasel
Empa, Duebendorf
Tel.: Tel. +41 44 823 43 48
E-Mail: roman.fasel@empa.ch
Stephan Imhof, Medienreferent
Max-Planck-Institut für Polymerforschung, Mainz
Tel.: +49 6131 379 132
E-Mail: imhof@mpip-mainz.mpg.de

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