Gläserner Bioprozess durch Analyse der Atemluft von Mikroorganismen

Neue Prozessanalyse für Biotechnologie entwickelt<br>acib<br>

Unsere Atemluft gibt noch viel mehr Informationen preis als nur über die Getränke bei der letzten Feier. Sie lässt sogar Rückschlüsse auf die Befindlichkeit zu. Bei Menschen sind dank empfindlichster Analysegeräte etwa Krebssignale in winzigsten Spuren in der Atemluft zu finden. Eine Zigarette hinterlässt noch eine Woche nach dem Rauchen Spuren in der ausgeatmeten Luft.

Nicht nur Menschen atmen, auch Mikroorganismen machen das. Die empfindliche Analyse der Luftbestandteile funktioniert nach mehrjähriger, gemeinsamer Forschung von acib und dem Tiroler Firmenpartner Ionimed nun auch bei der „Atemluft“ von Mikroorganismen. Der Gesundheitszustand von Bakterien oder Hefen, die in einem Fermentationskessel gezüchtet werden, damit sie Wirkstoffe herstellen, lässt sich nun erstmals in Echtzeit beobachten. „Die Analyse spürt einzelne Stoffe auf, die im direkten Zusammenhang mit dem Stoffwechsel der Zelle stehen“, erklärt Gerald Striedner, acib-Projektleiter an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). Mit dieser Information können Prozesstechniker schnell in das Produktionsverfahren eingreifen, wenn etwas nicht nach Plan läuft. Denn verhindert man eine Überstrapazierung der Zellen, unterbindet man gleichzeitig, dass sie zu wenig oder gar minderwertige Produkte herstellen. Projektmitarbeiter Markus Luchner bekam für seinen Beitrag unlängst den INiTS-Award 2012 verliehen.

„Die Herausforderung lag in der Entwicklung einer Technik, welche die strengen Prozessauflagen der Pharmaindustrie einhält und gleichzeitig die „Atemluft“ möglichst unverändert zum Messgerät führt“, so Rene Gutmann vom acib-Partnerunternehmen Ionimed. Das Analysegerät – ein hoch empfindliches Protonentransfer-Massenspektrometer – muss mit dem sterilen Produktionskessel verbunden sein, ohne dass es zu Infektionen kommen kann. Außerdem muss die Information in der Abluft unverändert bis zur Analyse gelangen, weil sonst keine verlässlichen Aussagen möglich sind. Zu diesem Zweck wurde von den Forschern im acib-Verbund ein Interface zwischen Fermenter und Analysengerät entwickelt. Damit ist erstmals auch die Analyse von industriellen Fermentationsprozessen möglich, in denen mehrere 1000 Liter an Fermentationsmedium samt Mikroorganismen kultiviert werden, ohne in den sterilen Bereich eingreifen zu müssen.

Die Sicherheit bei der Herstellung von pharmazeutischen Wirkstoffen steigt, während die Kosten sinken, weil Produktionsausfälle verhindert werden können und sich die Prozesse auf Basis der Aussagen über den Zellstoffwechsel unmittelbar verbessern lassen. Bisher musste man für die Prozesskontrolle Proben ziehen, diese aufarbeiten und analysieren; eine im Vergleich langsame und aufwändige Methode. „Diese neue Technologie unterstreicht einmal mehr die Innovationsleistung in der österreichischen Biotechnologie“, freut sich acib-Geschäftsführer Anton Glieder. Diese Innovationsleistung wurde unlängst mit dem INiTS A-ward 2012 in der Kategorie Life Science belohnt. Der Preis ging an acib-Forscher Markus Luchner dafür, dass die bisher übliche „Trial and Error-Methode“ im Fermentationsbereich nun durch eine fundierte Analyse ersetzt werden kann.

So funktioniert die PTR-MS
Die PTR-MS-Methode kann dutzende flüchtige Produkte aufspüren, die während einer Fermentation von den Mikroorganismen „ausgeatmet“ werden, darunter Azeton, Azetaldehyd, Indol, Isopren, Ethanol oder Methanol. Atmet etwa Escherichia coli (die im Biotechnologiebereich am meisten genutzte Bakterienart) in einer Fermentation winzige Spuren von Azetaldehyd aus, ist das ein Hinweis darauf, dass nicht mehr der gewünschte Zuckerabbau vollzogen wird (samt der Herstellung des Zielprodukts), sondern die Mikroorganismen auf eine unerwünschte Stoffwechselart (Säurefermentation) gewechselt haben. Auf Basis der Ergebnisse der Abluftanalyse lässt sich der Prozess wieder in die richtige Richtung lenken.
Über acib
Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) ist das österreichische Kompetenzzentrum für industrielle Biotechnologie mit Standorten in Graz, Innsbruck, Tulln und Wien. Es ist ein Netzwerk von zehn Universitäten und mehr als 30 Projektpartnern, darunter bekannte Namen wie BASF, DSM, Sandoz, Boehringer Ingelheim RCV, Jungbunzlauer, F. Hoffmann-LaRoche, Novartis, VTU Technology oder Sigma Aldrich. Eigentümer sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research.

Beim acib forschen und arbeiten rund 190 Beschäftigte an mehr als 40 Forschungsprojekten. Das Budget bis 31.12. 2014 macht ca. 60 Mio. Euro aus. Öffentliche Fördermittel (58% des Budgets) bekommt das acib von der Forschungsförderungsgesellschaft der Republik Österreich (FFG), der Standortagentur Tirol, der Steirischen Wirtschaftsförderung (SFG) und der Technologieagentur der Stadt Wien (ZIT).

Das Kompetenzzentrum acib – Austrian Centre of Industrial Biotechnology – wird im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies durch das BMVIT, BMWFJ sowie die Länder Steiermark, Wien und Tirol gefördert. Das Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt.

Media Contact

Thomas Stanzer idw

Weitere Informationen:

http://www.acib.at

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