Geschlechtertrennung als Folge der Eiszeiten: Forscher klären Evolution von Pflanzen in Neuseeland

Leptinella dendyi bevorzugt Schotterstandorte in den Bergen der Südinsel Neuseelands und gehört zu den zwittrigen Ausgangsarten des Fiederpolster-Polyploidkomplexes. Foto: Dr. Sven Himmelreich – Zur ausschließlichen Verwendung im Rahmen der Berichterstattung zu dieser Pressemitteilung

Das internationale Forscherteam untersuchte die Entwicklungsgeschichte der südpazifischen Pflanzengattung Leptinella (Fiederpolster). Die Ergebnisse der Wissenschaftler sind vor kurzem in der Fachzeitschrift „Taxon“ erschienen (DOI: http://dx.doi.org/10.12705/634.19).

Nur etwa 6 % der 250.000 bekannten Blütenpflanzen-Arten leisten sich den Luxus der Getrenntgeschlechtlichkeit (Diözie); also das bei Wirbeltieren fast ausnahmslos auftretende Phänomen weiblicher und männlicher Individuen.

Alle anderen Blütenpflanzen-Arten sind Zwitter mit Fortpflanzungsorganen beider Geschlechter entweder in einer einzelnen Blüte oder zumindest an einer Einzelpflanze. Bei einzelnen Pflanzengruppen oder auch in bestimmten Regionen der Erde kann man aber eine erhöhte Häufigkeit der Getrenntgeschlechtlichkeit beobachten. So zeichnet sich die neuseeländische Flora durch das Auftreten von 12-13 % und die Flora des Hawaii-Archipels durch das Vorkommen von mehr als 14 % diözischer Blütenpflanzenarten aus.

Vor diesem Hintergrund ist eine Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Christoph Oberprieler vom Institut für Botanik der Universität Regensburg gemeinsam mit Forschern in Christchurch (Neuseeland) der Entwicklungsgeschichte der südpazifischen Gattung Leptinella (Fiederpolster) nachgegangen.

Die Gattung Leptinella umfasst 34 Arten und kommt in Australien, Neuguinea, Neuseeland, Südamerika und den subantarktischen Inseln vor, wobei Neuseeland mit seinen 21 Arten das Zentrum dieser mit der Kamillenpflanze verwandten Korbblütengewächse darstellt. Bei acht neuseeländischen Arten tritt Getrenntgeschlechtlichkeit auf.

Den Wissenschaftlern gelang es nun, die Entstehung von Getrenntgeschlechtlichkeit in dieser Pflanzengruppe zu rekonstruieren. In einem ersten Schritt sammelte Dr. Sven Himmelreich aus der Arbeitsgruppe von Prof. Oberprieler im Rahmen seiner Doktorarbeit alle neuseeländischen Leptinella-Arten vor Ort. Mit Hilfe molekulargenetischer Methoden deckte er die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den einzelnen Arten auf. So lassen sich die neuseeländischen Fiederpolster-Arten in drei Evolutionslinien unterteilen.

Eine Artengruppe weist lediglich einen Chromosomensatz mit einer relativ niedrigen Chromosomenzahl auf. Bei den beiden anderen Gruppen ist es durch wiederholte Kreuzungsereignisse zu einer Verdoppelung der Chromosomensätze (Polyploidisierung) und zu einer Vergrößerung der Chromosomenanzahl mit bis zu 312 Chromosomen pro Zellkern gekommen. Getrenntgeschlechtlichkeit tritt dabei nur in einer der beiden polyploiden Artengruppen auf und dort vor allen Dingen bei Arten mit sehr hohen Chromosomenzahlen.

Unter anderem durch Stammbaum-Rekonstruktionen konnten das Forscherteam zudem zeigen, dass die Differenzierung in die drei Evolutionslinien vor etwa fünf bis zehn Millionen Jahren stattfand. Allerdings entstanden die polyploiden und getrenntgeschlechtlichen Leptinella-Arten erst im Zuge der fortschreitende Hebung der Neuseeländischen Alpen im Pliozän (vor 5,3-2,6 Mio. Jahren) und der Abfolge von Kalt- und Warmzeiten während der Eiszeiten des Pleistozäns (vor 2,6-0,01 Mio. Jahren).

Nach Ansicht der Forscher haben gerade diese wechselnden klimatischen Bedingungen des Eiszeitalters zu einer verstärkten Kreuzung zwischen zuvor getrennten Fortpflanzungsgemeinschaften und zu einer nachfolgenden Neubildung von Arten durch Verdoppelung des Hybrid-Chromosomensatzes geführt.

Titel der Originalpublikation:
S. Himmelreich, I. Breitwieser, Ch. Oberprieler: Phylogenetic relationships in the extreme polyploidy complex of the New Zealand genus Leptinella (Compositae: Anthemideae) based on AFLP data, in Taxon 63 (2014)

Die Publikation im Internet unter:
www.ingentaconnect.com/content/iapt/tax/2014/00000063/00000004/art00014

Ansprechpartner für Medienvertreter:
Prof. Dr. Christoph Oberprieler
Universität Regensburg
Institut für Pflanzenwissenschaften
Tel.: 0941 943-3129
Christoph.Oberprieler@ur.de

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Alexander Schlaak idw - Informationsdienst Wissenschaft

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