Geschickt ausgebremst: Vielfalt hemmender Nervenzellen im Gehirn erlaubt komplexere Informationsverarbeitung

Über drei verschiedene Zelltypen im Hippocampus (BC, HCP und HIPP) war bisher bekannt, dass sie unterschiedliche Morphologien haben (oben). Neue Untersuchungen zeigen, dass sie bei elektrischer Reizung (schwarze Kurven) andere Zellen mithilfe von stark unterschiedlichen zeitlichen Mustern hemmen (unten), wodurch die Informationsverarbeitung sehr komplex werden kann. Grafik: BrainLinks-BrainTools

Nervenzellen, die andere Zellen in ihrer Aktivität hemmen, spielen hierbei eine viel größere und komplexere Rolle als bisher angenommen. Das berichten die Teams von Prof. Dr. Marlene Bartos vom Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools der Universität Freiburg und Prof. Dr. Imre Vida vom Exzellenzcluster NeuroCure an der Berliner Charité in der aktuellen Ausgabe des „Journal of Neuroscience“.

In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie sich im Hippocampus spezielle Typen so genannter Interneurone vernetzen und wie sich ihre Funktion auf das gesamte Netzwerk auswirkt.

Interneurone regen andere Nervenzellen nicht dazu an, selbst aktiv zu werden, sondern hemmen sie im Gegenteil. Diese Unterdrückung von Aktivität spielt überall im Gehirn eine wichtige Rolle, um überhaupt Informationen verarbeiten zu können. Ohne Hemmung wären alle Nervenzellen gleichzeitig aktiv, und das Gehirn wäre effektiv lahmgelegt.

Im Hippocampus ist eine Vielzahl unterschiedlicher Typen hemmender Zellen vertreten, von denen bislang aber vor allem bekannt war, dass sie sich in Bau und Funktion stark voneinander unterscheiden. Allerdings hatte man bislang angenommen, dass ihr Einfluss auf die Vorgänge im Hippocampus nur gering sei.

Durch eine Kombination unterschiedlicher Untersuchungsmethoden zeigten Bartos, Vida und ihre Teams nun jedoch, dass diese hemmenden Zellen stark in die Aktivität und den zeitlichen Ablauf von Erregungsmustern des Hippocampus eingreifen können. Nicht nur das: Da die unterschiedlichen Kombinationen, mit denen diese Zelltypen verknüpft werden, auch unterschiedlich arbeiten, ist die hemmende Wirkung viel flexibler und vielseitiger als bisher vermutet.

Die Forschungsteams vermuten, dass hierdurch auch die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung im Hippocampus deutlich größer ist als bislang angenommen. Die nun publizierten Erkenntnisse wurden an dünnen Schnitten des Hippocampus von Mäusen und Ratten gewonnen. Der nächste Schritt wird nun sein, die gewonnen Erkenntnisse auch im Gehirn der Tiere zu überprüfen.

Originalveröffentlichung:
Savanthrapadian S, Meyer T, Elgueta C, Booker SA, Vida I, and Bartos M (2014) Synaptic Properties of SOM- and CCK-Expressing Cells in Dentate Gyrus Interneuron Networks. Journal of Neuroscience 34(24): 8197-8209; doi: 10.1523/JNEUROSCI.5433-13.2014 

  
Kontakt:
Prof. Dr. Marlene Bartos
Systemische und Zelluläre Neurophysiologie
Institut für Physiologie I
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-5194
E-Mail: marlene.bartos@physiologie.uni-freiburg.de

http://www.jneurosci.org/content/34/24/8197.full – Originalveröffentlichung

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Rudolf-Werner Dreier idw - Informationsdienst Wissenschaft

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