Den Gerüchen auf der Spur: Göttinger Forscher entschlüsseln weitere Schritte der Geruchsverarbeitung im Nervensystem

Immer der Nase nach – Gerüche lösen bei uns Emotionen und Erinnerungen aus, warnen uns vor Gefahren und sagen uns, wen wir sympathisch finden und wen nicht. Im Gegensatz zu visuellen oder auditiven Reizen dringen Geruchseindrücke häufig gar nicht in unser Bewusstsein.

Und erst wenn man nicht mehr riechen kann, wird einem klar, wie wichtig Gerüche eigentlich sind. Wissenschaftler am Göttinger DFG Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB) haben jetzt am Modell des Krallenfrosches gezeigt, dass im Gehirn Netzwerke von Nervenzellen existieren, die ihre Aktivität synchronisiert an verschiedene Gerüche anpassen können.

„Dadurch werden die eintreffenden Geruchsinformationen vor der Weiterleitung in andere Gehirnregionen gebündelt und leichter verständlich gemacht,“ sagt der Leiter der Studie, Prof. Dr. Dr. Detlev Schild. Direktor der Abteilung Neurophysiologie und Zelluläre Biophysik an der Universitätsmedizin Göttingen. Die Ergebnisse wurden am 30. Januar 2009 in der Online-Ausgabe von PNAS veröffentlicht.

Originalveröffentlichung:
Chen TW, Lin BJ, Schild D (2009) Odor coding by modules of coherent mitral/tufted cells in the vertebrate olfactory bulb.

PNAS (online) January 30, 2009, doi:10.1073/pnas.0810151106

Von der Nase ins Gehirn
Die Riechschleimhaut, das so genannte Riechepithel, befindet sich in der Nasenhöhle im Innenraum der Nase. Eingebettet in diese Schleimhaut sind Riechzellen. Dabei handelt es sich um bipolare Zellen, d.h. sie verfügen in Richtung Nasenhöhle über Ausläufer (Cilien), an deren Enden Duftstoffe erkannt und von den Zellen anschließend in elektrische Signale umgewandelt werden. Auf ihrer anderen Seite projizieren sie lange Fortsätze (Axone) zur Verarbeitungsstation von Geruchssignalen im Gehirn, dem Riechkolben. In den „Konvergenzzentren“ des Riechkolbens, den sog. Glomeruli, angekommen, wird das Geruchssignal räumlich geordnet. In einem Glomerulus verschmelzen etwa 1000 Riechzellaxone gleicher Duftstoffselektivität zu einer Mitralzelle. Die Mitralzellen leiten das Signal schließlich in tiefere Gehirnregionen, z.B. dem Sitz der Emotionen und des Gedächtnisses weiter.

Anhand künstlich hergestellter Geruchs-Cocktails und der Anwendung bestimmter elektrophysiologischer sowie mikroskopischer Methoden konnten Dr. Bei-Jung Lin, Dr. Tsai-Wen Chen und Prof. Schild zeigen, dass Mitralzellen, die im Riechkolben einem Glomerulus entspringen, synchron das gleiche Aktivitätsmuster erzeugen. Gewährleistet wird diese synchrone Duft-Antwort durch Kontaktstellen der Mitralzellen untereinander. Diese „gap junctions“ koppeln die Zellen elektrisch aneinander und ermöglichen so eine koordinierte Weiterleitung der Geruchsinformation. Professor Schild: „Verschiedene Geruchs-Cocktails haben dabei zur Ausbildung unterschiedlicher Aktivitätsmuster geführt. Mitralzellen besitzen also die Fähigkeit, Gerüche zu unterscheiden und duft-spezifische Antworten geordnet in andere Gehirnregionen weiterzuleiten“.

Das DFG Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns und das assoziierte Exzellenzcluster Mikroskopie im Nanometerbereich: Das seit 2002 an der Universitätsmedizin Göttingen angesiedelte DFG Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB) wurde am 13. Oktober 2006 im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder um das Exzellenzcluster Mikroskopie im Nanometerbereich erweitert. Der bestehende und bereits fest etablierte Forschungsverbund der Göttinger Neurowissenschaften wird durch diese Technologieplattform im Bereich höchst innovativer Mikroskopie-Techniken verstärkt.

Kontakt:
Universitätsmedizin Göttingen
DFG Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB)
Prof. Dr. Dr. Detlev Schild
Abteilung Neurophysiologie und Zelluläre Biophysik
Telefon 0551-39-5915
dschild@gwdg.de

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Dr. Susanne Ohrt idw

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