Gentest in Familien mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom kann Augenlicht retten

Menschen die am „Von-Hippel-Lindau-Syndrom“ (VHL) leiden, können aufgrund kleiner Gefäßtumoren im Auge erblinden. Zwar erkrankt nur einer von etwa 40 000 Menschen. Meist sind jedoch innerhalb einer Familie mehrere Angehörige von der Erbkrankheit betroffen.

Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) rät diesen Familien deshalb zu einem Gentest. Damit finden Ärzte jene Verwandten, die ebenfalls zu erblinden drohen. Ein regelmäßiger Besuch beim Augenarzt rettet ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit das Augenlicht, so die DOG.

Bei Patienten mit VHL verändert sich das Gewebe im Bereich der Netzhaut des Auges und auch in anderen Organen wie etwa dem Kleinhirn. Sehstörungen können erste Anzeichen sein. Der Augenarzt entdeckt bei der Untersuchung des Augenhintergrundes meist einen oder mehrere Gefäßtumoren.

„Diese Angiome sind gutartig und lassen sich mithilfe eines Lasers veröden“, erläutert Privatdozent Dr. med. Klaus-Martin Kreusel vom Augenzentrum der DRK Kliniken Berlin, der Patienten mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom betreut. „Die besten Behandlungschancen bestehen, wenn die Angiome früh entdeckt werden“, so Kreusel weiter.

Ein Gentest erlaubt es jetzt, das VHL-Risiko rechtzeitig zu erkennen und genauer zu beurteilen. „Fällt er bei einem Patienten positiv aus, sollten sich auch dessen Verwandte ersten und zweiten Grades testen lassen“, empfiehlt Professor Dr. med. Christian Ohrloff, Pressesprecher der DOG. Eltern und Kindern aber auch Geschwistern und Enkeln von Betroffenen rät er zu dem Test, um frühzeitig handeln zu können.

Der Gentest beruht auf der Ursache der Erkrankung: Das intakte Von-Hippel-Lindau-Gen trägt die Erbinformation für einen Faktor im Blut, der das Wachstum von Geschwulsten unterdrückt – der so genannte Tumorsuppressor. Da jeder Mensch einen zweifachen Satz seiner Erbsubstanz in sich trägt, liegt auch das VHL-Gen doppelt vor. „Doch der Erbgang ist dominant“, sagt Dr. Kreusel. Deshalb tritt das Syndrom bereits dann auf, wenn nur eines der beiden VHL-Gene defekt ist. „In fast jedem Stammbaum betroffener Familien gibt es mehrere Erkrankte“ ergänzt Kreusel.

Bei seinen in Berlin untersuchten Patienten fiel der Gentest bei drei von vier untersuchten Familienmitgliedern positiv aus. Hier zeigten sich früher oder später Gefäßtumoren im Auge. Mithilfe des Tests entdeckte der Arzt sie jedoch überwiegend in einem frühen Stadium. „Die meisten Verwandten konnten deshalb rechtzeitig behandelt werden und so ihre Sehstärke erhalten“, sagt der Ophthalmologe. Nur einer von 29 augenärztlich betreuten Verwandten ist schließlich auf einem Auge erblindet.

Von den 20 „Indexpatienten“, bei denen das Von-Hippel-Lindau-Syndrom erstmalig entdeckt wurde, sind vier inzwischen auf beiden Augen erblindet. „Deshalb ist ein Gentest in der gesamten Familie so wichtig“, sagt Professor Ohrloff. In Einzelfällen sollten sich auch Verwandte dritten Grades testen lassen.

Geschwulste treten bei Menschen mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom nicht nur im Auge auf. Befallen sind häufig auch Gehirn und Rückenmark, Nieren und Nebennieren, Bauchspeicheldrüse und andere Organe. Die Augenärzte überweisen ihre Patienten deshalb auch zum Nervenarzt, zum Internisten und anderen Fachärzten. „Die Betreuung dieser Patienten ist eine interdisziplinäre Herausforderung“, sagt Professor Ohrloff: „Sie kann nur gelingen, wenn Ärzte verschiedener Fachrichtungen zusammenarbeiten“.

Quelle:
Kreusel, K.-M.; Krause, L.; Graul-Neumann, L.; Bechrakis, N. E.; Neumann, H. P.; Foerster, M. H.: Familienuntersuchungen bei Patienten mit Angiomatosis retinae

Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde 2009; 226: 939-943

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