Genetisches Risikoprofil kann Darmkrebsvorsorge verbessern

Darmkrebs unter dem Mikroskop Quelle: Lutz Langbein, DKFZ

Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben einen Weg gefunden, das Auftreten von klinisch relevanten Darmkrebsvorstufen anhand einer Blutprobe vorherzusagen. Bei über 1000 Menschen, die eine Vorsorge-Koloskopie wahrgenommen hatten, fahndeten sie nach winzigen Varianten im Erbgut (so genannten Einzelnukleotid-Polymorphismen), die mit dem Auftreten von Darmkrebs in Verbindung stehen.

Jede Variante für sich hat nur eine geringe Aussagekraft – zusammengenommen können sie aber helfen, das Erkrankungsrisiko sehr viel besser einzuschätzen. „Zusammen bilden diese Marker eine deutlich verbesserte Grundlage für eine personalisierte, d. h. dem persönlichen Risiko angemessene Darmkrebs-Vorsorge“, erklärt Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum.

Die Teilnehmer der Studie wurden anhand des genetischen Profils in drei Risikogruppen (niedrig, mittel und hoch) eingeordnet. „Die Ergebnisse zeigen, dass bei Menschen mit dem genetischen Hochrisiko-Profil die Wahrscheinlichkeit, bei einer Vorsorge-Koloskopie Darmkrebs oder fortgeschrittene Krebsvorstufen zu entdecken, fast dreimal so hoch ist wie bei Personen mit dem günstigsten Risikoprofil“, erklärt Korbinian Weigl, der Erstautor der Studie.

Aus den Ergebnissen lassen sich auch Rückschlüsse ableiten, in welchem Alter jeder einzelne mit der Darmkrebs-Vorsorge beginnen sollte. Bislang wird die Vorsorge einheitlich ab einem Alter von 50 Jahren angeboten und empfohlen. Die Heidelberger Epidemiologen halten es dagegen für sinnvoll, bei Menschen mit hohem Risikoprofil bereits einige Jahre früher mit der Vorsorge zu beginnen, bei Personen mit günstigem Risikoprofil könnte es ausreichen, zehn oder mehr Jahre später zu starten.

Die Forscher stellten darüber hinaus fest, dass das genetische Risikoprofil spezifisch das Vorliegen von fortgeschrittenen Krebsvorstufen bzw. von Darmkrebs vorhersagt. Ein Zusammenhang mit dem Auftreten harmloser Polypen fand sich nicht.

Deren Auftreten scheint eher von Umwelteinflüssen als von genetischen Faktoren abhängig zu sein, vermuten die Wissenschaftler. Für die Risikovorhersage sind sie nicht so entscheidend wie die fortgeschrittenen Vorstufen, da sie noch sehr weit von wirklichen Krebsstadien entfernt sind und in den meisten Fällen auch nicht zu einem bösartigen Darmtumor heranwachsen.

„Mit einer Einteilung in Risikogruppen könnten Ärzte in Zukunft bessere Empfehlungen geben, in welchem Alter jeder einzelne mit der Darmkrebs-Früherkennung beginnen sollte. Damit ließen sich sowohl viele unnötige Darmkrebserkrankungen bei jüngeren Menschen mit hohem Risiko als auch viele unnötig frühe Vorsorgeuntersuchungen bei jüngeren Menschen mit niedrigem Erkrankungsrisiko vermeiden“, so Brenner.

Die Epidemiologen um Brenner planen, ihre Risikovorhersage noch weiter zu verfeinern. Dazu sollen in Kürze die Daten von 2000 weiteren Studienteilnehmern ausgewertet werden, um die Aufteilung in Risikogruppen weiter zu differenzieren.

Seit 2008 geht die Zahl der Darmkrebs-Neuerkrankungen in Deutschland kontinuierlich zurück. Experten sind sich sicher, dass dies auf verbesserte Vorsorgemaßnahmen zurückzuführen ist. So ist in Europa die Neuerkrankungsrate besonders in Ländern mit verbesserter Darmkrebsfrüherkennung gesunken. Trotzdem wird die Früherkennung auch in Deutschland nicht ausreichend in Anspruch genommen.

Darmkrebs ist derzeit bei Männern die dritthäufigste und bei Frauen die zweithäufigste Tumorerkrankung in Deutschland. Darmkrebsvorsorge-Untersuchungen werden seit 2002 für alle Versicherten über 55 Jahren von den deutschen Krankenkassen übernommen.

Korbinian Weigl, Hauke Thomsen, Yesilda Balavarca, Jacklyn N. Hellwege, Martha J. Shrubsole, Hermann Brenner: Genetic Risk Score is Associated With Prevalence of Advanced Neoplasms in a Colorectal Cancer Screening Population.
Gastroenterology 2018, DOI 10.1053/j.gastro.2018.03.030.

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BU: Darmkrebs unter dem Mikroskop

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Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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