Genetischer Code der Mittelmeerfruchtfliege entschlüsselt

Die Mittelmeerfruchtfliege Ceratitis capitata. Foto: Prof. Dr. Marc F. Schetelig

Sie gilt als der größte Agrarschädling weltweit: Die Mittelmeerfruchtfliege Ceratitis capitata befällt mehr als 260 Frucht-, Nuss- und Gemüsearten und verursacht dadurch jährlich Schäden in Millionenhöhe. Einem internationalen Team mit Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) ist es nun gelungen, das komplette Genom der Mittelmeerfruchtfliege zu sequenzieren.

Das Großprojekt wurde geleitet von Prof. Dr. Marc F. Schetelig, Institut für Insektenbiotechnologie der JLU, und Dr. Alfred M. Handler, Center for Medical, Agricultural and Veterinary Entomology des United States Department for Agriculture (USDA) in Gainesville, Florida (USA). Beteiligt waren 64 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in 25 Forschungseinrichtungen weltweit.

Die Kenntnis des genetischen Codes ermöglicht es, dem Erfolg der Mittelmeerfruchtfliege als Schädling auf die Spur zu kommen – und so Strategien für ihre Bekämpfung zu entwickeln. Als Ansatzpunkte könnten der Reproduktionszyklus, die Widerstandsfähigkeit gegen Pathogene und die Fähigkeit, Gifte unschädlich zu machen, dienen.

All dies wird von Genen codiert. Mit dem Wissen um den genetischen Code könnte beispielsweise der Reproduktionszyklus unterbrochen werden. Auch ermöglicht die Entschlüsselung des Genoms den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Erkenntnisse darüber, wie die Mittelmeerfruchtfliege es schafft, neue Lebensräume und Wirtsorganismen in den tropischen und subtropischen Regionen der Erde zu erschließen.

Eine bereits erfolgreich eingesetzte und umweltfreundliche Strategie zur Bekämpfung ist die Sterile Insektentechnik (SIT), die durch massenhafte Freisetzung steriler Männchen die Population von Schadinsekten dezimiert. Prof. Schetelig ist Experte für die SIT, die er auch im Rahmen des Emmy-Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erforscht. Mit seiner Arbeitsgruppe entwickelt er Methoden, die die Effektivität der SIT steigern und einen Transfer dieser Technik auf weitere Schädlinge zulassen. Seine Gruppe gehört zu dem vom Land Hessen geförderten LOEWE-Zentrum für Insektenbiotechnologie & Bioressourcen unter Federführung der JLU, an dem auch die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) beteiligt ist.

Die Weibchen der Mittelmeerfruchtfliege legen bis zu zehn Eier direkt unter die Haut einer Frucht oder eines Gemüses. Aus den Eiern entwickeln sich Maden, die die Frucht oder das Gemüse fressen und verderben. Die Fruchtfliegen, die schließlich aus den Maden schlüpfen, sind bereits nach wenigen Tagen geschlechtsreif – und der Zyklus beginnt von vorne.

Das jetzt publizierte Genom der Mittelmeerfruchtliege war der Ausgangspunkt für die Sequenzierung weiterer Genome im i5K-Projekt, in dessen Rahmen 5.000 Insektengenome entschlüsselt werden sollen. Es trägt jetzt schon zur Optimierung und Entwicklung von nachhaltiger Schädlingsbekämpfung bei. Nicht zuletzt könnte die Entschlüsselung des Genoms der Mittelmeerfruchtfliege auch anderen Schadinsekten zum Nachteil gereichen: So erhoffen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch Impulse für Bekämpfung eng verwandter Fruchtfliegen wie der Orientalischen und der Mexikanischen Fruchtfliege.

Publikation
Papanicolaou A, Schetelig MF, et al.: The whole genome sequence of the
Mediterranean fruit fly, Ceratitis capitata (Wiedemann), reveals insights into the
biology and adaptive evolution of a highly invasive pest species,
Genome Biology 2016 17:192
DOI 10.1186/s13059-016-1049-2
http://genomebiology.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13059-016-1049-2

Kontakt

Prof. Dr. Marc F. Schetelig
Institut für Insektenbiotechnologie
Heinrich-Buff-Ring 58, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-39504
E-Mail: marc.schetelig@agrar.uni-giessen.de

Prof. Dr. Alfred M. Handler
Center for Medical, Agricultural and Veterinary Entomology
Gainesville, Florida, USA
E-Mail: al.handler@ars.usda.gov

Die 1607 gegründete Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) ist eine traditionsreiche Forschungsuniversität, die über 28.000 Studierende anzieht. Neben einem breiten Lehrangebot – von den klassischen Naturwissenschaften über Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Gesellschafts- und Erziehungswissenschaften bis hin zu Sprach- und Kulturwissen¬schaften – bietet sie ein lebenswissenschaftliches Fächerspektrum, das nicht nur in Hessen einmalig ist: Human- und Veterinärmedizin, Agrar-, Umwelt- und Ernährungswissenschaften sowie Lebensmittelchemie. Unter den großen Persönlichkeiten, die an der JLU geforscht und gelehrt haben, befindet sich eine Reihe von Nobelpreisträgern, unter anderem Wilhelm Conrad Röntgen (Nobelpreis für Physik 1901) und Wangari Maathai (Friedensnobelpreis 2004). Seit 2006 wird die JLU sowohl in der ersten als auch in der zweiten Förderlinie der Exzellenzinitiative gefördert (Excellence Cluster Cardio-Pulmonary System – ECCPS; International Graduate Centre for the Study of Culture – GCSC).

http://www.insekten-biotechnologie.de

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Lisa Dittrich idw - Informationsdienst Wissenschaft

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